Lerneffekte unserer Lernhacks

Im April fand unsere „Lernhacks“-Veranstaltung statt. Sie bestand aus einem vorgeschalteten Online-Impuls und einem Präsenztag im HessenChemie Campus, der gut zwei Wochen später stattfand. Im Folgenden beschreibe ich, was ich während dieser Zeit selbst gelernt habe.

Doch zunächst einmal: Was war unsere Motivation für dieses Angebot? Der Begriff „Lernen” hat im betrieblichen Kontext oft einen negativen Klang. Lernen wird als Zusatz betrachtet, der zu einem ohnehin vollen Arbeitsalltag hinzukommt. Für das Lernen muss in vielen Fällen Zeit und Geld investiert werden. Es ist stark standardisiert, zentral gesteuert und zielt vor allem auf Wissensvermittlung ab. Oft handelt es sich um Pflichtveranstaltungen, deren Teilnahme nachgewiesen werden muss.

Ein solches formales Lernen kann zwar nach wie vor eine Rolle spielen und in manchen Fällen vielleicht auch unumgänglich sein, angesichts der schnellen Veränderungen in der Arbeitswelt stößt es jedoch zunehmend an seine Grenzen. Es erweist sich dann als zu starr und träge für die Dynamik mancher Entwicklungen. Zudem wird Wissen zu wenig in Kompetenzen überführt und der Erfahrungsaustausch im Team bleibt meist außen vor. Lernhacks setzen genau hier an.

Erster Lerneffekt: Lernen als Bestandteil der Arbeit

Wer Lernen als isolierte Zusatzaufgabe und nicht als Haltung zur Arbeit betrachtet, wird es im Unternehmen vermutlich auch auf diese Weise organisieren: mit (Online-)Lernkatalogen, Zertifikaten, einem hohen Input-Anteil oder Qualifizierungsvereinbarungen. Dabei geht es jedoch nicht in erster Linie darum, feste Zeitblöcke für Lernaktivitäten freizuräumen. Vielmehr bedeutet Lernen, die eigene Arbeit laufend als Gelegenheit zur Weiterentwicklung zu begreifen. Wer mit dieser lernorientierten Einstellung an Aufgaben herangeht, reflektiert Erfahrungen, probiert Neues aus, zieht Schlüsse aus Fehlern und entwickelt Kompetenzen im Tun.

Selbstverständlich gibt es Lernformen, die separate Lernzeit erfordern, beispielsweise das Einarbeiten in komplexe Themen oder strukturierte Weiterbildungsmaßnahmen. Doch viele Lernprozesse finden im Arbeitsalltag statt, beispielsweise im Austausch mit Kolleginnen und Kollegen, beim Lösen neuer Aufgaben, bei der Bewältigung von Herausforderungen oder bei der Anwendung neuer Tools.

Ein integratives Lernverständnis findet überall dort statt, wo Arbeit geschieht – vorausgesetzt, wir betrachten sie auch als Lernfeld. Es ist also zunächst einmal eine Frage der Perspektive, die Gelegenheiten des Arbeitsalltags als Lerngelegenheiten zu sehen, in denen Mitarbeitende mit alltäglichen Routinen, Tools und Kniffen dabei unterstützt werden können, die Verantwortung für ihr eigenes Lernen zu übernehmen.

Quelle: Shutterstock

Zweiter Lerneffekt: Herausforderungen und Routinen

Damit Lernen auf die beschriebene Weise stattfinden kann, sind zwei Faktoren entscheidend: Herausforderungen und Routinen.

Es braucht ambitionierte, abwechslungsreiche und inhaltlich komplexe Herausforderungen, um das Lernen der Mitarbeitenden anzukurbeln. Nur wenn Lernen mit einem hohen Maß an kognitiver Aktivierung einhergeht, werden diese im positiven Sinne dazu gezwungen, über Routinetätigkeiten hinauszudenken, neue Lösungswege zu finden und ihr Wissen anzuwenden oder zu erweitern. Inhalte werden dann nicht nur auswendig gelernt und bestenfalls abgespult, sondern in bestehende Wissensstrukturen integriert. Was mit Anstrengung erarbeitet wurde, bleibt besser im Gedächtnis verankert und kann flexibler auf neue Situationen übertragen werden. Die Kunst bei der Suche nach solchen Herausforderungen besteht darin, das richtige Maß zu finden, um sich gefordert, aber nicht überfordert zu fühlen. Ich denke, jeder hat schon diesen befriedigenden Flow erlebt, der entsteht, wenn wir aktiv Probleme lösen, Verantwortung für den eigenen Lernfortschritt übernehmen und merken, wie dadurch das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten wächst.

Solche Herausforderungen zu finden, sie passend auszugestalten und sicherzustellen, dass sie allen Mitarbeitenden offenstehen – unabhängig von Hierarchie, Funktion oder Vorwissen –, ist eine der wichtigsten Rollen von Führungskräften im Lernprozess (und geht weit über die Freigabe des Budgets für eine formale Lernmaßnahme hinaus). Werden Herausforderungen des Arbeitsalltags als Lerngelegenheiten verstanden, können diese überall im Unternehmen stattfinden und eine Kultur der kontinuierlichen Weiterentwicklung kann entstehen.

Neben der Suche nach angemessenen Herausforderungen schaffen Lernroutinen im Team Strukturen, in denen das Lernen nicht vom Arbeitsalltag getrennt ist, sondern als dessen Teil erlebt wird. Wenn Lernen in den Alltag integriert ist, wird es zur Selbstverständlichkeit. Anstatt separate Trainings zu benötigen, findet Lernen „on the job“ statt – das spart Zeit und macht es anwendungsnaher. Routinen wie das gemeinsame Reflektieren oder das Teilen von Erfahrungen stärken das Wir-Gefühl und sorgen dafür, dass Wissen nicht bei einzelnen Personen isoliert bleibt. So werden Wissenssilos vermieden. Teams, die regelmäßig ihre Arbeit reflektieren und Feedback einholen, entwickeln sich schneller weiter, erkennen frühzeitig Fehlerquellen und fördern eine Kultur der Offenheit und Innovation. Solche Routinen vermitteln, dass Lernen nicht nur erlaubt, sondern gewünscht ist. Das wirkt motivierend und entlastend, insbesondere in unsicheren oder dynamischen Arbeitsumfeldern. Impulse für solche Routinen, Tools und Kniffe finden sich im Learning-Generator.de oder dem Sprachmodell Ihres Vertrauens.

  • Weekly Learning-Check-in (10–15 Minuten)

    Am Anfang oder Ende der Woche teilt jedes Teammitglied kurz:

    • Was habe ich in der letzten Woche Neues gelernt?

    • Wo bin ich nicht weitergekommen?

    • Gibt es etwas, das ich anderen empfehlen kann (Tool, Artikel, Erfahrung)?

  • Retrospektiven nach abgeschlossenen Projekten

    Gemeinsam reflektieren: Was lief gut? Was war schwierig? Was lernen wir für das nächste Mal?

  • Peer-Feedback-Sessions (z. B. alle 2 Wochen)

    Teammitglieder geben sich gegenseitig Feedback zu konkreten Arbeitsergebnissen oder Arbeitsweisen in strukturierter Form (z. B. nach dem Modell „Start–Stop–Continue“).

Dritter Lerneffekt: Lernen durch reflektierte KI-Nutzung

Die Magie von ChatGPT lag zu Beginn zweifellos in der scheinbar mühelosen Erstellung unterschiedlicher Inhalte als potente Content-Maschine. Doch je vertrauter wir mit generativer KI werden und je mehr wir uns damit auseinandersetzen, desto weniger steht diese Rolle im Vordergrund – auch beim Lernen. Denn an Lerninhalten mangelt es weder bei LinkedIn Learning noch bei anderen Plattformen. Es kommt letztlich nicht auf die reine Masse an, sondern es fehlen Kontext, Individualität und Reflexion, um Lernen wirklich fruchtbar zu machen.

KI in diesen anderen Rollen zu nutzen, kann mindestens genauso hilfreich sein, wie sich Inhalte generieren zu lassen:

KI kann als interaktiver Co-Learner fungieren, der gemeinsam mit Lernenden neues Wissen erarbeitet, reflektiert und zur Diskussion stellt. Alternativ kann KI als Fachexperte komplexe Themen verständlich aufbereiten und jederzeit aktuelles Fachwissen bereitstellen. KI kann als Lerncoach Lernfortschritte überwachen, motivieren und individuelle Empfehlungen zur Optimierung des Lernprozesses geben. In der Rolle des Prüfers ermöglicht KI vielleicht personalisierte Assessments, die den individuellen Entwicklungsstand abbilden. Als Lernstratege entwickelt sie personalisierte Lernwege, die auf das Lernziel, das individuelle Tempo und den bevorzugten Lernstil abgestimmt sind. In praxisorientierten Situationen agiert KI als Simulationspartner, der realitätsnahe Übungsszenarien bietet und somit die Anwendung des Gelernten gezielt fördert.

Um diese Rollen von KI zu verstehen und differenziert anzuwenden, ist von den Nutzenden viel mehr gefordert als nur kurz den Zauberstab der KI zu schwingen.

Zentrale Voraussetzung ist digitale Souveränität, also die Fähigkeit, KI-Tools sicher, reflektiert und zielgerichtet einzusetzen. Dazu gehört ein grundlegendes Verständnis davon, wie KI funktioniert und welche Stärken und Grenzen sie hat. Auch die Fähigkeit zur Selbststeuerung des Lernprozesses gewinnt an Bedeutung: Wer mit KI lernt, sollte eigene Lernziele definieren, Feedback einordnen und das eigene Lernen aktiv gestalten können. Darüber hinaus sind kritisches Denken und Informationskompetenz unerlässlich, um KI-generierte Inhalte einzuordnen, zu bewerten und mit bestehenden Wissensbeständen zu verknüpfen. Schließlich ist auch eine gewisse kommunikative Klarheit erforderlich, um der KI gezielte, präzise Anweisungen zu geben und sinnvolle Rückfragen zu formulieren, denn je klarer die Interaktion ist, desto besser ist die Lernunterstützung.

Insgesamt zeigt sich: KI kann das Lernen auf vielfältige Weise begleiten und bereichern. Ihr volles Potenzial entfaltet sie jedoch erst, wenn Lernende aktiv, reflektiert und kompetent mit ihr umgehen.

Soweit mein persönliches Lernfazit unserer Veranstaltung mit Lernhacks.

  • Perspektive: Lernen passiert immer schon im Alltag.
  • Herausforderungen: Welche wir uns suchen und wie wir sie gestalten, trägt ganz wesentlich dazu bei, ob wir Lernfortschritte erzielen.
  • Routinen: Machen Lernen zu einer Selbstverständlichkeit.
  • KI: Kann uns in seinen unterschiedlichen Rollen ein fantastischer Lernbegleiter sein, den wir reflektiert einsetzen dürfen.

Weiter Hilfestellungen für betriebliches Lernen finden Mitgliedsunternehmen in der gleichnamigen Themenseite unserer Praxishilfe Personalmanagement im Mitgliederbereich.

@Titelbild: Margot M.Meiners/Shutterstock

Clemens Volkwein

Clemens Volkwein

Clemens Volkwein ist Demografieberater für die hessischen Unternehmen aus Chemie, Pharma und Kunststoffverarbeitung. Hysterie in der Demografie-Debatte hält er für überflüssig, gute Ideen hingegen nicht, wie sich die Alterung und Schrumpfung unserer (berufstätigen) Bevölkerung positiv gestalten lassen.

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