Nachhaltigkeitsregulierung – was gilt wann für wen?
Während Unternehmen bemüht sind, nachhaltige Praktiken zu implementieren, stehen sie zunehmend vor einer wachsenden Bürokratie und Regelungsdichte auf nationaler und europäischer Ebene. Was bedeutet das für Unternehmen? Wie können sie sich in diesem komplexen Regelwerk zurechtfinden, und vor allem, wie können sie nachhaltig handeln, ohne in einem Meer von Vorschriften zu ertrinken? Dieser Blogbeitrag soll einen Überblick über die regulatorischen Anforderungen an die Unternehmen vermitteln.
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD)
Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist die Weiterentwicklung der Non-Financial Reporting Directive (NFRD). Sie legt fest, welche Unternehmen zu einer Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet sind und wie diese Berichterstattung gestaltet werden soll.
Zusätzlich zur Richtlinie selbst sind auch detaillierte Vorgaben für die Inhalte der Berichterstattung entwickelt worden. Diese werden in den sogenannten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) festgelegt.
Am 5. Januar 2023 trat die CSRD auf EU-Ebene in Kraft. Die Richtlinie muss in Deutschland und allen anderen EU-Mitgliedsstaaten innerhalb von 18 Monaten in nationales Recht umgesetzt werden – das heißt bis spätestens Juli 2024.
Für wen gilt die Regulierung?
Für groß geltende Unternehmen, die am Bilanzstichtag mind. zwei der drei Merkmale erfüllen:
- Bilanzsumme: mind. 25 Mio. €
- Nettoumsatzerlöse: mind. 50 Mio. €
- Durchschn. Zahl der während des Geschäftsjahres Beschäftigten: mind. 250
Konzerntöchter sind von den Pflichten befreit, wenn sie in den konsolidierten Lagebericht der Konzernmutter einbezogen werden.
Ab wann gelten die Pflichten?
- Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten, die aktuell nach dem CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (CSR-RUG) berichtspflichtig sind, berichten erstmalig 2025 über das Berichtsjahr 2024.
- Weitere Unternehmen folgen:
-
- für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2025:
alle anderen bilanzrechtlich großen Unternehmen - für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2026:
kapitalmarktorientierte KMU, sofern sie nicht von der Möglichkeit des Aufschubs bis 2028 Gebrauch machen.
- für Geschäftsjahre beginnend ab dem 1. Januar 2025:
Zentrale Änderungen zu CSR-RUG
- Einheitlicher Berichtsstandard nach European Sustainability Reporting Standards (ESRS)
- Ort der Berichterstattung (Lagebericht)
- Prüfpflicht
- Berichterstattung auf Konzernebene
- Doppelte Wesentlichkeitanalyse (Outside-in / Inside-out)
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) im Überblick
In den letzten Jahren ist die nachhaltige Gestaltung globaler Lieferketten verstärkt zu einem zentralen Thema in politischen und gesellschaftlichen Diskussionen geworden. Mit dem seit 2023 geltenden deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) werden Unternehmen zunehmend zu menschenrechtlichen Sorgfaltsprozessen verpflichtet. Auch Kunden, Vertragspartner und Nichtregierungsorganisationen achten verstärkt auf nachhaltiges Handeln der Wirtschaft in der globalen Wertschöpfung.
Ab dem 1. Januar 2023 müssen alle Unternehmen, die ihren Hauptsitz, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz, ihren satzungsmäßigen Sitz oder eine Zweigniederlassung in Deutschland haben und mindestens 3.000 Mitarbeiter im Inland beschäftigen, das LkSG einhalten. Ab dem 1. Januar 2024 gilt dies auch für Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern in Deutschland.
Das LkSG legt konkrete Sorgfaltspflichten für Unternehmen fest:
- die Einrichtung eines Risikomanagements
- die Festlegung einer betriebsinternen Zuständigkeit
- die Durchführung regelmäßiger und anlassbezogener Risikoanalysen
- die Erstellung einer Grundsatzerklärung
- die Verankerung von Präventionsmaßnahmen gegenüber unmittelbaren Zulieferern, sowie im eigenen Geschäftsbereich
- das Ergreifen von Abhilfemaßnahmen,
- die Einrichtung eines Beschwerdeverfahrens
- die Umsetzung von Sorgfaltspflichten bei mittelbaren Zulieferern
- die Dokumentation und die Berichterstattung
Die Unternehmen müssen jährlich darüber berichten, wie sie den Sorgfaltspflichten entsprechen. Der Bericht muss jeweils sieben Jahre lang kostenlos auf der Website des Unternehmens für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Zusätzlich muss dieser beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) eingereicht werden, das die Einhaltung des LkSG überwacht. Diese Einreichung muss spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres erfolgen.
Chemie3 – die Nachhaltigkeitsinitiative der chemisch-pharmazeutischen in Deutschland – bietet mit ihrem Branchenstandard für nachhaltige Wertschöpfung praxiserprobte Hilfestellungen für Mitgliedsunternehmen.
Die EU-Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) – ein Auszug
Das Europäische Parlament (EP) hat in der Plenarabstimmung am 24. April 2024 die angepasste Trilogeinigung zur EU-Lieferkettenrichtlinie – die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) – mit 374 gegen 235 Stimmen bei 19 Enthaltungen angenommen. Nach der Annahme der EU-Lieferkettenrichtlinie steht nur noch die Abstimmung im Rat der EU aus, bevor die Richtlinie im Amtsblatt veröffentlicht werden kann.
Welche Unternehmen sind ab wann betroffen?
Nach dem Inkrafttreten der Richtlinie gibt es eine fünfjährige Übergangsphase mit gestaffelten Schwellenwerten:
- Die erste Phase beginnt drei Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie und betrifft zunächst Unternehmen ab 5.000 Mitarbeitern und mit einem Jahresbruttoumsatz von 1,5 Mrd. Euro.
- Die zweite Phase beginnt nach vier Jahren und betrifft dann Unternehmen ab 3.000 Mitarbeitern und mit einem Jahresbruttoumsatz von 900 Mio. Euro.
- Nach fünf Jahren wird mit Unternehmen ab 1.000 Mitarbeitern und einem Jahresbruttoumsatz von 450 Mio. Euro der finale Anwendungsbereich erreicht.
Gesonderte Schwellenwerte für als Risikosektoren eingestufte Branchen wurden ersatzlos gestrichen.
Welchen Umfang hat die CSDDD?
Zentraler Begriff für die Einhaltung von Sorgfaltspflichten ist die „Aktivitätenkette“ (Art. 3 g). Dabei wird zwischen den dem Unternehmen vorgelagerten und nachgelagerten Geschäftsbeziehungen unterschieden.
- Unter den vorgelagerten Bereich fallen alle direkten und indirekten Geschäftspartner bzw. Zulieferer. Damit sind insbesondere dem Wortlaut der Richtlinie folgend die Stufen Design, Gewinnung, Beschaffung, Herstellung, Transport, Lagerung und Lieferung von Rohstoffen, Produkten oder Teilen der Produkte sowie die Entwicklung des Produkts oder der Dienstleistung gemeint.
- Der nachgelagerte Bereich ist enger gefasst. Hier besteht eine Limitierung auf die direkten Geschäftsbeziehungen in den Bereichen Vertrieb, Transport und Lagerung.
Welche Sorgfaltspflichten gelten?
Die von den Unternehmen einzuhaltenden Sorgfaltspflichten sind eingeteilt in die Schritte der Identifizierung von Risiken für den Schutzbereich (vgl. Art. 6), der Vorbeugung gegen diese Risiken (vgl. Art. 7) und der Beendigung von tatsächlichen negativen Einflüssen auf den Schutzbereich (vgl. Art. 8). Die Risikoanalyse sowie Präventions- und Abhilfemaßnahmen sollen dabei im Rahmen eines risikobasierten Ansatzes (Art. 4 und 5) durchgeführt werden. Dieser Ansatz bedeutet, dass nicht sämtliche direkten und indirekten Zulieferer zu überprüfen sind. Einschränkungen zu einer vollständigen Überprüfung sind dabei einzelfallabhängig.
Klimaplan, Vergütung und Berichtspflichten – was muss hier beachtet werden?
- In Art. 15 werden die betroffenen Unternehmen aufgefordert, einen Klimatransitionsplan aufzustellen und ihr Geschäftsmodell und ihre Aktivitäten an bestimmten Klimaschutzzielen (darunter das 1,5 °C-Ziel) auszurichten. Dieser Transitionsplan soll dann jährlich aktualisiert werden. In Bezug auf seine Ziele gilt eine Bemühenspflicht.
- Die Richtlinie enthält keine Vorgaben zur Orientierung der variableren Vergütung der Unternehmensleitung an diesem Klimatransitionsplan („directors duties“).
- Sämtliche Berichtspflichten über die Aktivitäten des Unternehmens wurden ersatzlos gestrichen. Berichtspflichten bestehen für die betroffenen Unternehmen ausschließlich im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattungsrichtlinie (CSRD).
Welche Sanktionen gelten?
Die Mitgliedstaaten sollen ein Sanktionsregime für die Verletzung von Pflichten aus dieser Richtlinie aufstellen (Art. 20). Für Geldstrafen gibt es keinen einheitlichen Rahmen, sie sollen sich aber am weltweiten Nettoumsatz des Unternehmens orientieren. Dabei gibt es nur eine konkrete Vorgabe: Die Untergrenze für eine vorgesehene Maximalsanktion soll nicht unter 5 Prozent des weltweiten Nettoumsatzes liegen. Innerhalb von Unternehmensgruppen ist dafür der Gesamtumsatz zu Grunde zulegen.
Was gilt bei der Anpassung von bereits bestehenden nationalen Gesetzen an die CSDDD?
In Art. 3a werden Vorgaben zur Harmonisierung im Rahmen der einzelnen nationalen Umsetzungsgesetze zu dieser Richtlinie festgelegt. Die Mitgliedstaaten sind dabei grundsätzlich frei, über die Vorgaben in dieser Richtlinie hinauszugehen. Ausgenommen davon sind nur die absoluten Kernbereiche der Richtlinie in Bezug auf die tatsächlichen Sorgfaltspflichten für Unternehmen. Lediglich von den Art. 6 Abs. 1 und 1a (Risikoidentifizierung), Art. 7 Abs. 1 (Vorbeugung) und Art. 8 Abs. 1 (Beendigung) der Richtlinie dürfen die Mitgliedstaaten nicht abweichen.
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