Interner Regelcheck mit „Kill a stupid rule“
Wer unser Mitgliedermagazin – die Quintessenz – aus dem vergangenen Jahr zur Hand nimmt, findet über dem Editorial unseres Hauptgeschäftsführers Dirk Meyer die große Überschrift: „Bürokratie-Burnout stoppen“. Er führt aus, dass die wachsende Bürokratie einschließlich der nach wie vor aufwändigen Planungs- und Genehmigungsverfahren eine der großen Herausforderungen für die Unternehmen am Standort sei und dass der Abbau bürokratischer Lasten auf die Agenda gehöre, um die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen. Das ist die politische Botschaft, für die wir uns als Interessenvertretung unserer Branche einsetzen. Die kommende Legislaturperiode wird zeigen, wie ernst es der neuen Bundesregierung damit ist.
Es gibt aber auch Regeln, die sich Unternehmen, Bereiche oder Teams selbst geben und auf die sie unmittelbar Einfluss haben. Solche Regeln entstehen (oft) aus guten Gründen – aber sie haben so gut wie nie ein vordefiniertes Verfallsdatum. Genau darum ging es uns, als wir ‚Kill a stupid rule‘ in unser Akademieprogramm 2025 aufgenommen haben. Wir wollten mit den Teilnehmenden aus unseren Mitgliedsunternehmen in ihrem Arbeitsumfeld Regeln identifizieren, die die Effizienz und Zufriedenheit des Teams und seiner Mitglieder beeinträchtigen. Anschließend sollten diese bewertet, priorisiert und – wenn möglich – verändert oder sogar ganz abgeschafft werden. Über unsere ersten Erfahrungen mit diesem Werkzeug möchte ich berichten, wie es gelingt, selbstbestimmt kleine Veränderungen im Unternehmen voranzutreiben, damit sich die Arbeit auf wertschöpfende Tätigkeiten konzentrieren kann.
Welche Regeln sind grundsätzlich veränderbar?
Die Methode ist relativ einfach erklärt (wie hier bei unserem Trainingsanbieter BOLD COLLECTIVE: Kill a stupid rule). Zunächst geht es darum, die Regeln zu identifizieren, die prinzipiell geändert werden können. Es geht also nicht um Datenschutz oder Arbeitssicherheit, sondern vielleicht um überbordende Dokumentationspflichten, Vorschriften für Besprechungen oder umständliche Genehmigungsprozesse. Aber auch die Kundenperspektive kann aufgegriffen werden – was frustriert diese regelmäßig an unserem Unternehmen?
Spannend wurden diese Diskussionen in den Grauzonen, in denen Regeln als nicht veränderbar angesehen oder dargestellt wurden oder umgekehrt, sich aber über diesen Status spannende Diskussionen entwickelten. Diese Diskussion ist sehr wichtig, um ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, das für eine belastbare Umsetzung von Änderungen wichtig ist. Denn die Methode erfordert eine Bewertung und Einordnung der eingebrachten Regeln anhand einer Entscheidungsmatrix: Ist die Regeländerung einfach umzusetzen? Wie ist der Einfluss auf das Unternehmen einzuschätzen? – Einfache Änderungen mit hohem Einfluss erhalten die höchste Umsetzungspriorität.

Welche Regeln wurden im Workshop eingebracht?
Hier möchte ich ein paar Beispiele geben, welche Themen in den Online-Gruppenarbeiten auf miro diskutiert wurden. Wer sich bei manchen dieser Themen wiederfindet, darf gerne gleich zum Ende dieses Artikels springen :).
- Fehlende Transparenz in unseren Angeboten (Unklarheiten in scope / out of scope)
- undurchsichtiger / unklarer Ablauf für Bestellgenehmigungen (wenig transparente Zuständigkeiten, Verzögerung durch unklare Info-Kette)
- Ressourcen und Budget werden doppelt abgefragt und bewertet
- Reportings, die keiner braucht
- Gestaltung der täglichen Kurzmeetings
- Paraphierung von Verträgen, lange Verträge
Hier liegt also das Potenzial, intern für Entlastung zu sorgen. Entscheidend dafür ist eine offene Gesprächsatmosphäre, in der ohne Rechtfertigungszwang gesagt werden kann, wo der Schuh drückt.
Die Methode allein macht keinen erfolgreichen Regelcheck
Eine Methode für schlankere und effizientere Prozesse zu kennen, ist ein erster Schritt, reicht aber nicht aus, um tatsächlich erfolgreich Veränderungen herbeizuführen.
Was ich aus unserer Veranstaltung zwischen den Zeilen mitgenommen habe, möchte ich abschließend in diesen Punkten zusammenfassen:
- Konkretisierung der Abschaffung oder Anpassung: Dieser Schritt gehört eigentlich noch zur Methode, erfordert aber schon einen gewissen Mut, denn spätestens hier wird allen Beteiligten klar, dass festgelegt werden muss, wie, von wem und bis wann die Regel angegangen werden soll. Als Belohnung winkt das Gefühl, etwas verändern zu können, wenn auch nur im Kleinen und in der unmittelbaren Umgebung.
- Respekt vor dem, was ist: Regeln sind nicht per se schlecht oder dumm, genauso wenig wie die Menschen, die sie irgendwann gemacht haben. Manchmal haben sie eben im Laufe der Jahre ihren ursprünglichen Sinn verloren oder es gibt einfach zu viel zu tun, um sich um ihre Abschaffung zu kümmern. Vor diesem Hintergrund lässt sich das etwas plakative ‚Kill a stupid rule‘ für den internen Gebrauch vielleicht auch freundlicher verpacken, um Respekt und Wertschätzung auszudrücken für alle, die das Geschäft bisher am Laufen gehalten haben.
- Veränderung hat mit Menschen zu tun: Die beste Methodenkompetenz stößt schnell an ihre Grenzen, wenn der menschliche Faktor bei Veränderungen nicht gesehen oder einbezogen wird. Dabei kann es darum gehen, Widerstände in der Organisation („Das haben wir schon immer so gemacht“) oder mögliche Ängste vor Kontrollverlust zu antizipieren oder ein Bewusstsein für die Vorteile eines von gewissen Regeln befreiten Arbeitsalltags zu schaffen.
- Regeln für einen Regelcheck aufstellen: Es mag in diesem Zusammenhang paradox klingen, aber niemand wird sich spontan zu einem internen Regelcheck zusammenfinden. Es braucht einen Anstoß und ein Mindestmaß an Struktur, ohne dass man jede Woche auf Regelsuche gehen muss. Aber im Sinne einer halbjährlichen Bürokratieroutine und -hygiene hätte die Durchführung von ‚Kill a stupid rule‘ vermutlich die Verbindlichkeit, die die Methode braucht und die ihr gut tut.
Wer Regeln systematisch hinterfragen möchte, findet in ‚Kill a stupid rule‘ eine eingängige Methode, die einige Rahmenbedingungen zu beachten hat und an die man sich auch vorsichtig herantasten kann. Besonders gut hat mir beispielsweise der Versuch gefallen, umstrittene Regeln (mit Ausnahme der unveränderlichen) vorübergehend außer Kraft zu setzen. Wenn der Aufschrei oder das betriebliche Chaos ausbleiben, war die Regel vielleicht doch entbehrlich :).
Wer die Methode kennenlernen und seine eigenen Regeln auf den Prüfstand stellen möchte, hat im September bei uns wieder Gelegenheit dazu: Kill a stupid rule, Online-Workshop, 02. September von 09.30-12.30 Uhr