Die Metamorphose des Küchentisch-Arbeitsplatzes

Ist das Homeoffice gekommen , um zu bleiben? Diskussionen um das Thema Arbeitszeit begleiten mich schon mein ganzes Arbeitsleben, respektive ein paar Jahrzehnte. Bis vor der Corona-Pandemie variierte das Thema immer mal um ein paar Nuancen. Man diskutierte über Gleitzeit und Vertrauensarbeitszeit, ganz fortschrittliche Ideen wie zeit- und ortsflexibles Arbeiten oder Wahlarbeitszeit firmierten oft unter New Work und waren in der Umsetzung eher in Start ups oder einigen global agierenden Konzernen anzutreffen. Und auf der Suche nach Best-Practice-Beispielen landete man immer wieder bei den gleichen Unternehmen.

Wie in vielen anderen Bereichen gilt seit März 2020 auch für das Thema Arbeitszeit eine andere Zeitrechnung. Ideen, die vorher durch mangelnde Vorstellungskraft und oft auch durch den fehlenden Mut der Entscheider nicht den Weg in die Umsetzung fanden, waren auf einmal die einzige Möglichkeit, Arbeit aufrecht zu erhalten. Homeoffice, Arbeitszeitflexibilisierung, Schichtübergaben ohne Aufeinandertreffen der Schichtgruppen und mit Sicherheit fallen Ihnen noch viele andere Beispiele ein.

Ortsflexibles bzw. mobiles Arbeiten – diese Formulierung wird seit März 2020 vor allem mit dem Arbeiten aus dem Homeoffice verbunden. Eine Umfrage der Frankfurter Rundschau unter deutschen Großunternehmen zeigt, dass sich die Arbeit im Homeoffice etabliert hat. Allerdings bedarf es betrieblicher Rahmenvereinbarungen, um sowohl die persönlichen Interessen von Mitarbeitern als auch die Notwendigkeiten der Unternehmen abzubilden. Je nach Unternehmen sind diese Vereinbarungen unterschiedlich ausgestaltet. Folgende Fragen hat die FR gestellt:

  • Welche Rolle spielt das Mobile Arbeiten zur Zeit bei Ihnen?
  • Gibt es eine feste Regel, z. B.: drei Tage im Büro, zwei Tage mobil arbeiten?

Von der Formulierung bei Airbus „Mobiles Arbeiten außerhalb des produktionskritischen Bereichs sei in der Regel möglich, aber es gebe keine feste Vorgabe mehr, dies in Anspruch nehmen zu müssen“ über „Beschäftigte in Deutschland dürfen auch künftig bis zu 80 Prozent im Monat mobil arbeiten, wenn es die Tätigkeit erlaubt“ bei Covestro und VW bis hin zu der Option „Eine Grenze nach oben gibt es nicht: Wenn es die Aufgabe zulasse, sei es bei Mercedes Benz möglich, zu 100 Prozent von einem anderen Ort aus zu arbeiten“ gibt es Vereinbarungen über die gesamte Bandbreite.

Die meisten Unternehmen haben festgestellt, dass sich viele Tätigkeiten in gleich guter Qualität mobil durchführen lassen. Der Leverkusener Werkstoffhersteller Covestro fasst die Erfahrungen, die man während der Pandemie gemacht hat, stellvertretend für viele andere Unternehmen so zusammen: „Wir sind zufrieden mit den Ergebnissen. Viele Tätigkeiten lassen sich in gleich guter Qualität mobil durchführen. Das haben die Mitarbeitenden in den vergangenen drei Jahren im großen Maßstab eindrucksvoll bewiesen“.

Auch bei Porsche, die schon seit 2014 Erfahrung mit dem mobilen Arbeiten gesammelt haben, hat man mit einem während der Pandemie wesentlich höheren Anteil gute Erfahrungen gemacht.  Nun setzt man auf ein hybrides Modell, weil sich gezeigt hat, dass „sich die mobile Arbeit und die Bürowelt sehr gut ergänzen“. Vom stundenweisen mobilen Arbeiten bis zu 12 Tage pro Monat soll alles möglich sein.

Weitgehende Übereinstimmung herrscht in den befragten Unternehmen, dass – wenn die Aufgabe dafür geeignet ist – die Mitarbeiter in Absprache mit der Führungskraft und den direkten Kolleginnen und Kollegen denjenigen Arbeitsort wählen, an dem er am produktivsten ist. Das kann dann mal das Büro als Ort der Begegnung und des Austauschs im Team sein, das Homeoffice zum ungestörten Arbeiten oder auch ein Co-Working-Büro in der Nähe der Wohnung, um lange Pendelzeiten zu vermeiden. Eine weitere wichtige Erkenntnis ist, dass es einen positiven Einfluss auf die Arbeit des ganzen Teams hat, wenn Führungskräfte einen Großteil ihrer Zeit vor Ort sind, um sich intensiv ihrer Führungsaufgabe widmen zu können.

Hybrides Arbeiten soll das Beste aus beiden Welten miteinander verbinden. Dinge, die vor der Pandemie selbstverständlich waren, werden jetzt mit anderen Augen gesehen. So fragte sich letztens eine Redakteurin der WirtschaftsWoche etwas augenzwinkernd, ob zum Beispiel Betriebs-Kitas rückblickend nicht erfunden wurden, um den Mitarbeitern das Leben zu erleichtern, sondern um sie an das Büro zu fesseln. Denn wer bringt schon sein Kind in die Kita, um anschließend nach Hause ins Homeoffice zu fahren, während abends dann das eigene Kind das letzte ist, weil der Weg aus dem Homeoffice deutlich länger ist als der vom Schreibtisch um die Ecke.

Aber im Ernst, wenn man das Beste aus beiden Welten verbinden will, muss man erst einmal wissen, was für die eigenen Mitarbeiter – vor allem aus Mitarbeitersicht – das Beste ist. Der Gratiskaffee oder die damit einhergehende informelle Kommunikation? Der bequeme Schreibtischstuhl oder das Fitnessstudio in der Mittagspause?

Anstatt also im Alleingang einen Plan für die Rückkehr ins Büro zu erstellen, sollten die Führungskräfte das Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen, welche Gründe wann dazu führen, im Büro oder mobil arbeiten zu wollen. Neben der Grundsatzentscheidung des Unternehmens zum hybriden Arbeitsmodell sollten die detaillierten Umsetzungsregeln möglichst bis auf Teamebene runtergebrochen werden. Nur dann kann sichergestellt werden, dass sich auch die „Leisen“ abgeholt fühlen und eine nachhaltige Akzeptanz erreicht wird. Das gelingt in vielen Unternehmen auch. Wie die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) in ihrer letzten Arbeitszeitbefragung (2021) von mehr als 10.000 Beschäftigten mit einer Vereinbarung zum mobilen Arbeiten  feststellte, liegt die tatsächliche mobile Arbeit mit 1,7 Tagen/Woche nur knapp unter der gewünschten Häufigkeit von 1,9 Tagen/Woche. Erfreulicherweise ergab die Erhebung auch, dass diese Beschäftigten ihren Gesundheitszustand häufiger als sehr gut bewerten.

Sabine König

Sabine König ist Diplom-Ingenieurin, REFA Industrial Engineer und systemische Organisationsberaterin ist seit 2009 als Referentin Arbeitswissenschaft bei HessenChemie tätig und verfügt über langjährige Erfahrung als Abteilungsleiterin, Projektleiterin und Inhouse-Consultant sowie Lehrtätigkeit an der Hamburger Fernhochschule. Ihre Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsbewertung, Entgeltgestaltung, Arbeitsorganisation und Organisationsentwicklung.

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