Bonjour tristesse: Die schwierige wirtschaftliche Lage der Chemie im Herbst 2023

Eine Einschätzung für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen

Bittere Pillen für die Branche

Mit dem Ende des dritten Quartals hat sich noch einmal die bittere Wirkung des ungesunden Cocktails aus hohen Energie- und Rohstoffpreisen, einer schwachen Nachfrage und zuletzt sinkenden Produktpreisen verdeutlicht, welcher die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen derzeit heimsucht.

Die bisherige Bilanz im Jahresverlauf: ein Absturz des Produktionsniveaus um fast 18 Prozent gegenüber dem Vorjahr in den klassischen Chemiesparten, verbunden mit einem Umsatzeinbruch von 22 Prozent. Hinzu treten seit Februar sinkende Produktpreise und ein im In- und Ausland gleichermaßen schwacher Auftragseingang. Ein nur schwacher Trost ist in diesem Zusammenhang, dass die Rückgänge zuletzt an Dynamik eingebüßt haben. So scheint das untere Ende der Fahnenstange zwar erreicht zu sein; eine Aussicht auf eine baldige Verbesserung bedeutet dies im Umkehrschluss allerdings nicht.

Der hohe Anteil an pharmazeutischer Industrie hat im Jahresverlauf mit konjunkturell stabileren Zahlen die Rückschläge für das Gesamtergebnis in Hessen bislang zwar etwas lindern können.

Allerdings musste auch die Pharmasparte zuletzt Federn lassen. Während die Inlandsnachfrage bereits seit Jahresbeginn abzurutschen begann, und nun um gut 20 Prozent unter dem Vorjahr liegt, bröckelt nun auch die verbliebene Säule des Auslandsgeschäfts spürbar. Mit Europa stagniert derzeit der zweitwichtigste ausländische Absatzmarkt, die Umsätze mit dem bedeutendsten Handelspartner USA sind mittlerweile um fast 7 Prozent rückläufig. Alles in allem sind dies Zahlen, die wenig Mut machen für eine wirtschaftliche Aufhellung zum Jahresende.

Auch auf Bundesebene herrscht eine entsprechende Ernüchterung vor. So rechnet der Verband der Chemischen Industrie für das Gesamtjahr 2023 weiterhin mit einem Produktionsrückgang von 8 Prozent. Der Branchenumsatz wird in diesem Jahr voraussichtlich um 14 Prozent sinken.

Eine durchdachte Industriepolitik bleibt aus

Zusätzlich steigt die Unsicherheit in der langfristigen Perspektive deutlich an, denn eine durchdachte Industriepolitik bleibt weiterhin aus. Bereits das verabschiedete Strompreispaket hat keine wirklich effektiven Entlastungen für die energieintensive Industrie gebracht.

Mehr noch: als Folge des jüngsten Urteils des Bundesverfassungsgerichts zur Schuldenbremse wird der industriepolitische Kurs der Bundesregierung, sofern dieser bis dato überhaupt existierte, unklarer denn je. Eine nachhaltige und langfristige Entlastungsstrategie seitens der Politik, wie sie auch von der chemisch-pharmazeutischen Industrie dringend benötigt wird, so steht zu befürchten, rückt damit in weite Ferne.


Weitere Informationen


Regelmäßige Informationen zur wirtschaftlichen Situation enthält das verbandseigene „HessenChemie-Wirtschaftsstenogramm“, das monatlich zur konjunkturellen Entwicklung der Chemie- und Pharmaindustrie berichtet. Es ist im Bereich Beschäftigung und Arbeitsmarkt der Publikationen von HessenChemie jederzeit abrufbar – auch in englischer Sprache.

Ruben Höpfer

Ruben Höpfer ist Diplom-Volkswirt und seit 2011 bei HessenChemie als Referent Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftsstatistik tätig. Zuvor war er Referent eines Industrie- und Arbeitgeberverbandes. Seine Kernkompetenzen liegen im Bereich der Analyse und Bearbeitung wirtschaftlicher, wirtschaftsstatistischer und arbeitsmarktpolitischer Fragen, insbesondere in Bezug auf tarifpolitische Auswirkungen für Unternehmen.

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