Es sind die Kosten, Mensch! Zum Jahresgutachten der Wirtschaftsweisen 2024/2025

Deutschland verharrt in der Stagnation

Die deutsche Wirtschaft kann ihre wirtschaftliche Schwäche nicht abschütteln.

Dieser Befund steht im Zentrum des aktuellen Jahresgutachtens des Sachverständigenrats zur Begutachtung der wirtschaftlichen Entwicklung vom 13. November 2024.

Seiner Einschätzung nach wird das deutsche BIP in diesem Jahr preisbereinigt um 0,1 Prozent zurückgehen. Für das nächste Jahr erwartet er zudem ein nur geringfügiges Wachstum von 0,4 Prozent. Seine ursprünglichen Einschätzungen aus dem Frühjahr revidiert der Rat damit deutlich nach unten.

In diesem Zusammenhang stellt der Sachverständigenrat heraus, dass die anhaltende wirtschaftliche Schwäche wesentlich auf den anhaltenden Rückgängen in der Produktion und der Wertschöpfung im Verarbeitenden Gewerbe beruht. Diese Rückschritte sind in Deutschland deshalb so bedeutsam, da der Industriesektor für das deutsche Wirtschaftswachstum im internationalen Vergleich ein großes Gewicht hat.

Der Sachverständigenrat verweist vor diesem Hintergrund auch auf die vergleichsweise positivere Entwicklung der weltweiten Industrieproduktion und der Weltwirtschaft im Allgemeinen. Aus Sicht des Rats wird damit deutlich, dass die industrielle Schwäche tatsächlich deutschlandspezifische Ursachen hat. Die Dauer der industriellen Rezession, mit einer Länge von nunmehr fünf Jahren zeigt laut dem Rat zudem, dass die dortigen Probleme sowohl von konjunktureller, als auch von struktureller Natur sind.

Explizit nennen die Wirtschaftsweisen hierbei neben der hohen Unsicherheit über die allgemeine wirtschaftliche und politische Entwicklung die stark gestiegenen Produktionskosten bei schwacher Produktivitätsentwicklung als Hauptgrund der Industrieschwäche. So sind die Strom- und Erdgaspreise, die industrielle Abnehmer in Deutschland zahlen, derzeit höher als im Durchschnitt des nichteuropäischen Auslands und auch höher als im EU-Durchschnitt, was gerade die energieintensiven, international ausgerichteten Industriesektoren stark in Mitleidenschaft zieht.

Deutschland hat ein Arbeitskostenproblem

An dieser Stelle hebt das Jahresgutachten auch einen Punkt hervor, der in der öffentlichen Debatte wenig beachtet geblieben ist: Kostenseitig wichtiger als Energie ist der Faktor Arbeit, der in Deutschland nicht nur knapp, sondern im internationalen Vergleich teuer und in den vergangenen Jahren noch teurer geworden ist. Dies zeigt sich daran, dass in vielen Ländern die Lohnstückkosten relativ zu Deutschland gesunken sind.

Der daraus resultierende Verlust an Wettbewerbsfähigkeit führt dazu, dass die internationale Nachfrage weniger Wachstumsimpulse als in der Vergangenheit auslöst. Setzt sich diese Entwicklung fort, dürften in einem weiteren Schritt die Unternehmensdienstleistungen von wirtschaftlichen Problemen betroffen sein.

Da eine anhaltend niedrige Kapazitätsauslastung zudem die Unternehmensinvestitionen dämpft, und drei Viertel der produzierten deutschen Industriegüter Investitionsgüter sind, birgt dies die Gefahr, dass sich die Schwäche der Industrie durch eine sinkende Nachfrage nach Ausrüstungsgütern zunehmend selbst verstärkt.

Laut Gutachten hinterlässt die Wachstumsschwäche bereits erste Spuren auf dem deutschen Arbeitsmarkt. In den besonders von der konjunkturellen Schwäche betroffenen Wirtschaftszweigen wie dem Verarbeitenden Gewerbe, dem Handel und dem Baugewerbe ist die Beschäftigung bereits zurückgegangen.

International stellt der Konflikt im Nahen Osten und der Angriffskrieg Russlands in der Ukraine weiterhin erhebliche Risiken für die Konjunktur dar. Im Fall des Ukraine-Konflikts könnten zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen die öffentlichen Haushalte belasten. Durch eine Ausweitung des Nahostkonflikts könnten zudem die Energiepreise erneut ansteigen.

Mittelfristig muss sich die deutsche Wirtschaft damit wohl darauf einstellen, dass die Erholung des Verarbeitenden Gewerbes, des Außenhandels und auch der Investitionsneigung zunächst ausbleiben wird. Der Wiedergewinnung internationaler Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere in preislicher Hinsicht, kommt für die deutsche Industrie damit höchste Priorität zu.


Weitere Informationen


Regelmäßige Informationen zur wirtschaftlichen Situation enthält der verbandseigene Konjunkturbericht „konjunktur.kompakt“, der monatlich zur konjunkturellen Entwicklung der Chemie- und Pharmaindustrie berichtet. Es ist im Bereich Beschäftigung und Arbeitsmarkt der Publikationen von HessenChemie jederzeit abrufbar – auch in englischer Sprache.

Ruben Höpfer

Ruben Höpfer ist Diplom-Volkswirt und seit 2011 bei HessenChemie als Referent Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftsstatistik tätig. Zuvor war er Referent eines Industrie- und Arbeitgeberverbandes. Seine Kernkompetenzen liegen im Bereich der Analyse und Bearbeitung wirtschaftlicher, wirtschaftsstatistischer und arbeitsmarktpolitischer Fragen, insbesondere in Bezug auf tarifpolitische Auswirkungen für Unternehmen.

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