Fachkräftemangel: Neue Zielgruppen erreichen

Ein Gastbeitrag von Dr. Ute Heinemann

Nahezu alle Unternehmen haben das gleiche Problem: In den nächsten Jahren werden viele Beschäftigte in den Ruhestand gehen. Genügend Fachkräfte, um diesen Weggang auszugleichen, sind nicht in Sicht. Das beginnt bereits bei den Jüngsten: So hat die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen ihr Ausbildungsplatzangebot im Jahr 2023 zwar um mehr als 16 Prozent gesteigert – von 1.455 auf 1.694 Ausbildungsplätze. Rund 10 Prozent der Stellen konnten allerdings nicht besetzt werden.

Wenn die Personalgewinnung zur Herausforderung wird, gilt es, neue Zielgruppen zu erschließen. Dies können Quereinsteiger sein, die bereits einen anderen Beruf erlernt haben und für einen Wechsel in die Chemie offen sind. Oder auch Studienzweifler und Studienabbrecher: Nach einer Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW) brach mehr als ein Viertel aller deutschen Bachelorstudenten, die 2016/2017 mit dem Studium begonnen haben, dieses ab.

Ein Studienabbruch erlaubt nicht unbedingt Rückschlüsse auf Leistungsfähigkeit oder Intelligenz der Betroffenen. Ganz im Gegenteil – oft verfügen sie über Kenntnisse und Fähigkeiten, die ihnen auf dem Arbeitsmarkt gute Dienste leisten können. Denn die Gründe für Studienabbrüche sind vielfältig, sie reichen von falscher Selbsteinschätzung und dem Unterschätzen der Studienanforderungen über familiäre Rahmenbedingungen bis zur mangelnden Kenntnis passender Berufsbilder.

Foto: shutterstock

Ziehen Abiturienten eine Ausbildung in Erwägung, hören sie nicht selten: „Dafür hättest du ja gar kein Abitur gebraucht!“ Diese Erfahrung machte auch Alexander (30), der kürzlich sein Biologiestudium abgebrochen und bei der ISW-Technik in Wiesbaden eine Ausbildung zum Konstruktionsmechaniker begonnen hat. Bei einer Veranstaltung speziell für Quereinsteiger und Studienabbrecher am 10. November in Wiesbaden beantwortete er am Stand seines neuen Arbeitgebers Fragen der Besucher. Unter dem Motto „Und wenn das Beste erst noch kommt?“ fand dieser Info-Nachmittag von HessenChemie in Kooperation mit der Agentur für Arbeit parallel in Darmstadt, Frankfurt und Wiesbaden statt. An den drei Orten standen insgesamt 13 Mitgliedsunternehmen aus der jeweiligen Region Rede und Antwort. Bewusst hatten die Veranstalter des Pilotprojektes ein niederschwelliges Konzept gewählt. Die Besucher konnten ungezwungen mit den Unternehmensvertretern und der Arbeitsagentur ins Gespräch kommen, eine Anmeldung war nicht nötig. Insgesamt nutzen rund 40 Interessenten die Gelegenheit.

Dass es sich um eine vielversprechende Zielgruppe handelt, davon sind Ausbildungsprofis wie Thomas Müller überzeugt. „Studienabbrecher oder Quereinsteiger, die sich für eine Ausbildung entscheiden, sind meist sehr zielstrebig“, sagt der Personalreferent von Mitsubishi in Wiesbaden. „Und da sie etwas älter sind als die übrigen Azubis, ziehen sie diese häufig mit.“ Thomas Koppe, Ausbildungsleiter bei Merck in Darmstadt, ist ebenfalls überzeugt, dass sich unter denen, die einen zweiten Anlauf unternehmen wollen, vielversprechende Kandidaten finden lassen: „Auch wenn wir bei dieser Veranstaltung gerne mehr Personen erreicht hätten – es waren einige durchaus interessante Teilnehmer mit sehr konkretem Interesse dabei.“ Deshalb soll das Format jetzt überdacht und weiterentwickelt werden.


Die Autorin


Dr. Ute Heinemann, Kommunikation + Coaching

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