Nach abwärts kommt seitwärts: Zur Chemie-Konjunktur am Jahreswechsel 2023/24

Ein Überblick für die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen

Stabilität auf niedrigem Niveau

Eine strukturelle Schwächung der eigenen Wettbewerbsposition durch ein dauerhaft höheres Energie- und Rohstoffpreisniveau, verbunden mit einem verstärkten Importdruck aus Asien und dem Mittleren Osten, eine global nur verhaltene Nachfrage und sinkende Produktpreise. Die chemisch-pharmazeutische Industrie in Hessen wurde 2023 auf mehreren Ebenen wirtschaftlich empfindlich getroffen.

Im Ergebnis erwartet die klassischen Chemiesparten ein Rückgang der Produktion um rund 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Da die Produktpreise zusätzlich um 2 Prozent zurückgegangen sind, fällt auch der Rückgang der Umsätze mit gut 21 Prozent mehr als deutlich aus.

Der im Jahresvergleich um gut 9 Prozent schwächere Auftragseingang lässt darauf schließen, dass eine schnelle Erholung jedoch ausbleiben wird. Stattdessen werden sich die klassischen Chemiesparten in diesem Jahr zunächst eher auf niedrigem Niveau seitwärts bewegen, was zumindest die Verlangsamung der konjunkturellen Abwärtsspirale zum Ende des letzten Jahres andeutet.

Der hohe Anteil an pharmazeutischer Industrie hat den Gesamtverlauf mit seiner größeren konjunkturellen Unabhängigkeit im letzten Jahr teilweise stabilisieren können. Das Wachstum der Pharmasparte beruht in der jüngeren Vergangenheit jedoch nur noch auf Erfolgen im Ausland. Der 2023 um fast 17 Prozent niedrigere Eingang von Aufträgen aus dem Inland lässt vermuten, dass sich an dieser Situation mittelfristig nicht grundlegend etwas ändern wird.

Gleichzeitig schwindet jedoch auch die Dynamik im Auslandsgeschäft. Infolgedessen hat die hessische Pharmaindustrie ihre Produktion im Jahr 2023 letztlich um nur knapp 2 Prozent ausweiten können. Für die Sparte, in der signifikante Preiserhöhungen strukturell bedingt eher ausbleiben, ist insbesondere dies ein Hinweis für eine ebenfalls eher verhaltene wirtschaftliche Entwicklung in diesem Jahr.

Zu einer ganz ähnlichen Einschätzung ist auch der Verband der Chemischen Industrie gelangt. Für das Gesamtjahr 2024 rechnet er mit einer Stagnation der Produktion, und erwartet einen Rückgang des Branchenumsatzes um 3 Prozent.

Steigende Kapazitäten erhöhen den Importdruck

Langfristig wird die Stärke und Geschwindigkeit einer potenziellen wirtschaftlichen Erholung auch erheblich von den strukturellen Rahmenbedingungen abhängen. Die weltweit angestiegenen Produktionskapazitäten, insbesondere im asiatischen Raum und dem Mittleren Osten, erhöhen bereits jetzt in einigen Produktsegmenten den Importdruck für inländische Hersteller. Die dauerhafte höhere Kostenbelastung im Energie- und Rohstoffbereich erschwert die Wettbewerbsposition der Industrie zusätzlich. Eine politische Industriestrategie, die diesbezüglich nachhaltige und langfristig verlässliche Rahmenbedingungen für eine dauerhafte Wettbewerbsfähigkeit schafft, hat damit nichts von ihrer bisherigen Dringlichkeit verloren – im Gegenteil.


Weitere Informationen


Regelmäßige Informationen zur wirtschaftlichen Situation enthält das verbandseigene „HessenChemie-Wirtschaftsstenogramm“, das monatlich zur konjunkturellen Entwicklung der Chemie- und Pharmaindustrie berichtet. Es ist im Bereich Beschäftigung und Arbeitsmarkt der Publikationen von HessenChemie jederzeit abrufbar – auch in englischer Sprache.

Ruben Höpfer

Ruben Höpfer ist Diplom-Volkswirt und seit 2011 bei HessenChemie als Referent Arbeitsmarktpolitik und Wirtschaftsstatistik tätig. Zuvor war er Referent eines Industrie- und Arbeitgeberverbandes. Seine Kernkompetenzen liegen im Bereich der Analyse und Bearbeitung wirtschaftlicher, wirtschaftsstatistischer und arbeitsmarktpolitischer Fragen, insbesondere in Bezug auf tarifpolitische Auswirkungen für Unternehmen.

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