Cannabis-Legalisierung – Herausforderung für Arbeitgeber
Am 1. April 2024 ist das „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (Cannabisgesetz – CanG) in Kraft getreten. Für Arbeitgeber ergeben sich hierdurch Fragen hinsichtlich der Leistungserbringung, der Sicherheit am Arbeitsplatz und des rechtlichen Umgangs mit Rauschzuständen. In dieser Ausgabe geben wir einen ersten Überblick über die mit der Cannabislegalisierung einhergehenden Risiken und Herausforderungen für Arbeitgeber und zeigen mögliche Lösungsvorschläge, wie der Umgang mit Cannabiskonsum am Arbeitsplatz geregelt werden kann.
Konkrete Regelungen des Gesetzes
Das Cannabisgesetz (CanG) regelt den privaten, nichtmedizinischen Umgang mit Konsumcannabis. Erwachsenen ist es nun erlaubt, bis zu 25 Gramm Cannabis zu besitzen sowie bis zu drei Cannabispflanzen an ihrem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zu halten. Jugendliche unter 18 Jahren dürfen jedoch weder Cannabis erwerben, besitzen noch anbauen. Der Konsum von Cannabis an bestimmten öffentlichen Orten, wie in der Nähe von Minderjährigen, Schulen oder Fußgängerzonen, wird als Ordnungswidrigkeit behandelt. Am Arbeitsplatz bleibt der Konsum von Cannabis somit erlaubt, solange dieser nicht zugleich ein in § 5 CanG explizit aufgeführter Ort, wie z.B. eine Schule ist, oder dort auch minderjährige Auszubildende tätig sind.
Cannabiskonsum ist somit nicht per se verboten. Was Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ihrer Freizeit konsumieren, bleibt grundsätzlich ihre Privatangelegenheit, solange es ihre berufliche Leistung nicht beeinflusst. Das Weisungsrecht des Arbeitgebers endet sozusagen an der Grenze des Betriebsgeländes.
Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, seinen arbeitsvertraglichen Pflichten mit der erforderlichen Sorgfalt nachzukommen.
Cannabis-Legalisierung: Umgang am Arbeitsplatz
Auch ohne ausdrückliches Cannabisverbot dürfen Beschäftigte nicht unter Drogeneinfluss arbeiten. Dies ergibt sich insbesondere aus der Vorschrift 1 der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung e.V. (kurz: DGUV). Nach § 15 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 ist es Beschäftigten untersagt, sich durch Alkohol, Drogen oder andere berauschende Mittel in einen Zustand zu versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können. Arbeitgeber dürfen Beschäftigte, die erkennbar nicht in der Lage sind, eine Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, gem. § 7 Abs. 2 DGUV Vorschrift 1 nicht arbeiten lassen. Ausgangspunkt ist also jeweils eine zu erwartende Gefährdung. Ein klares Kriterium hierfür fehlt jedoch, die Beurteilung ist einzelfallbezogen.
Arbeitgeber müssen daher entscheiden, ob für ihr Unternehmen eine noch weitergehende Regelung erforderlich ist, die den Konsum von Cannabis am Arbeitsplatz gänzlich untersagt. Sie behalten unter Wahrung der Beteiligungsrechte des Betriebsrates grundsätzlich das Recht, den Konsum von Cannabis am Arbeitsplatz zu verbieten – ähnlich wie es bei Alkohol der Fall ist. Dies dient dem Erhalt der Arbeitsfähigkeit und der Sicherheit aller Arbeitnehmer. Die Überwachung solcher Verbote kann durch Betriebsvereinbarungen festgelegt werden, wobei Maßnahmen zur Kontrolle, wie z.B. Drogentests, wegen der hohen Bedeutung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Grundrechts auf körperliche Integrität die Einwilligung der Arbeitnehmer voraussetzen und sorgfältig abgewogen werden müssen.
In vielen Betrieben existieren bereits Regelungen zum Drogen- und Alkoholkonsum, die nun überprüft und ggf. angepasst werden sollten. Insbesondere, wenn sich das Verbot auf „illegale Drogen“ beschränkt, sollte hier eine Klarstellung erfolgen.
Mögliche Sanktionen
Dem Arbeitgeber stehen – je nach Einzelfall – die bekannten arbeitsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zur Verfügung, wenn ein Arbeitnehmer entweder unter Verstoß gegen gesetzliche Vorschriften oder betriebliche Verbote Cannabis konsumiert oder er aufgrund Cannabiskonsums außerstande ist, seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen zu erfüllen.
Abhängig von der Art der Tätigkeit kann eine Abmahnung oder Kündigung ggfs. auch unabhängig von einer gesetzlichen Vorschrift oder einem betrieblichen Cannabisverbot gerechtfertigt sein. Dies gilt insbesondere, wenn es um das Führen von Fahrzeugen oder das Bedienen von Maschinen geht.
Ob sich die Rechtsprechung bezüglich Cannabis ähnlich wie beim Thema Alkohol entwickelt, insbesondere ob es eine Unterscheidung zwischen verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungsgründen geben wird, bleibt abzuwarten.
Die rechtliche Handhabung nachweisbaren Cannabiskonsums sollte zunächst weitgehend derjenigen bei Alkoholmissbrauch gleichen. Damit kann u.a. Folgendes gelten:
Bei cannabisbedingtem Rauschzustand kein ordnungsgemäßes Angebot der Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer möglich.
(Zeitweiser) Verlust des Entgeltanspruchs durch den Arbeitnehmer.
Kein Annahmeverzug seitens des Arbeitgebers.
Entfernung des Arbeitnehmers vom Arbeitsplatz und Notwendigkeit des sicheren Heimtransports (Fürsorgepflicht).
Ggfs. Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers bei Suchterkrankung.
Ggfs. Personenbedingte Kündigung bei Drogenabhängigkeit.
Ggfs. Abmahnungen und verhaltensbedingte Kündigung wegen Cannabiskonsum bei Verstoß gegen ein bestehendes betriebliches Cannabisverbot, Selbst- oder Fremdgefährdung oder Sachschäden.
Herausforderungen in der Praxis
Aus der Sicht von Arbeitgebern bringt die teilweise Legalisierung von Cannabis viele neue Herausforderungen mit sich, die vor allem die Arbeitsplatzsicherheit, Produktivität und Compliance betreffen. Die Sicherheit am Arbeitsplatz steht für viele Arbeitgeber an erster Stelle. Insbesondere auch in der chemischen Industrie in Bereichen wie Laboren oder der Produktion, wo auch geringfügige Beeinträchtigungen der Aufmerksamkeit und Reaktionsfähigkeit schwerwiegende Folgen haben können, ruft der Cannabiskonsum besondere Bedenken hervor.
Selbst wenn der Konsum außerhalb der Arbeitszeit erfolgt, könnten die nachwirkenden Effekte (wie verlangsamte Reaktionszeiten, höhere Risikofreudigkeit oder beeinträchtigte Urteilsfähigkeit) das Risiko von Arbeitsunfällen erhöhen. Eine weitere Hauptsorge liegt darin, dass der Cannabiskonsum zu einer Verringerung der Mitarbeiterproduktivität führt. Es könnte zudem zu höheren Versicherungskosten kommen, insbesondere in Bezug auf Haftpflicht- und Unfallversicherungen. Arbeitgeber müssen sich mit erhöhten Risiken auseinandersetzen und entsprechende Versicherungs- und Haftungsstrategien entwickeln.
Auch die Sozialpartner in der chemischen Industrie haben den Konsum von Rausch- und Suchtmitteln in der Vergangenheit nicht nur als ernstzunehmendes gesellschaftliches, sondern auch als sicherheitsrelevantes und damit umweltrelevantes Problem gesehen. Sie haben dieses bereits im Jahr 1996 in einer Sozialpartnervereinbarung „Keine Drogen in der Arbeitswelt“ berücksichtigt, welche derzeit überarbeitet und aktualisiert wird.
Feststellung, Überprüfung und Nachweis von Cannabisrausch
Eine der größten Herausforderungen nach der Legalisierung von Cannabis sind die Feststellung und Überprüfung eines möglichen Cannabisrausches.
Anzeichen für einen Cannabisrausch können sinkende Arbeitsqualität und verringerte Leistung ohne plausible Erklärung, außergewöhnliche Müdigkeit, Gedächtnis- und Konzentrationsschwächen, unerklärliche Gefühlsschwankungen und ungewöhnliche Stimmungen wie übertriebene Heiterkeit oder albernes Verhalten sein. Auch desinteressiertes Verhalten und ein verändertes Erscheinungsbild, insbesondere gerötete Augen, können darauf hinweisen. Da diese Indizien für den Verdacht eines Cannabisrausches im ersten Schritt nur Kollegen oder Vorgesetzte feststellen können, sollten diese hinsichtlich des Themas besonders sensibilisiert und zur Dokumentation der Auffälligkeiten angeleitet werden.
Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, das Ausmaß und die Intensität des Rauschzustandes eines Arbeitnehmers zu bestimmen. Die Feststellung gestaltet sich schwieriger als bei Alkohol, da es technologischer Hilfsmittel – wie Urintests oder Speicheltests – bedarf, um den Konsum zuverlässig nachzuweisen. Ein Alkohol- oder Drogentest erfordert aufgrund des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit stets die ausdrückliche Einwilligung der betroffenen Person. Dies gilt besonders für invasive Methoden wie Haarscreening oder Blutproben, die zur Bestimmung des Ausmaßes des Drogenkonsums herangezogen werden können.
Strategisch sollte der Arbeitgeber, sobald Indizien oder sogar Tatsachen vorliegen, die dafür sprechen, dass ein Arbeitnehmer unter dem Einfluss von Cannabis steht, diesem zur Ausräumung des Verdachts eine Kontrolle mittels eines zugelassenen gültigen Schnelltests anbieten. Kommt der Arbeitnehmer dem Test nach und bestätigt sich dadurch zunächst der Verdacht, kann dem Arbeitnehmer angeboten werden, eine Blutuntersuchung an einer dafür zertifizierten Stelle oder beim Betriebsarzt durchführen zu lassen, um diesen auszuräumen. Ebenso wenig wie der Arbeitnehmer sich derartigen Eingriffen in sein Recht auf körperliche Unversehrtheit unterziehen muss, muss ein Arbeitgeber diese Testungen anbieten.
Verweigern sich die Arbeitnehmer gänzlich, sollten Arbeitgeber Drogenberatungsstellen zur Beratung heranziehen und ggfs. auf externe Hilfe wie bspw. Suchtberatungen verweisen.
Information und Aufklärung
Die frühzeitige und klare Kommunikation der betrieblichen Cannabispolitik ist essentiell, um Missverständnisse über die Legalisierung unter den Mitarbeitern zu vermeiden. Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass alle Beschäftigten über die rechtlichen Grenzen und Gefahren des Cannabiskonsums im beruflichen Umfeld informiert sind und entsprechende Schulungen erhalten.
Richtlinien und Verfahren prüfen
Viele der aufkommenden arbeitsrechtlichen Fragestellungen sollten ähnlich wie jene im Kontext des Alkoholkonsums im Arbeitsverhältnis behandelt werden. Daher ist es wahrscheinlich, dass man die bereits etablierte Rechtsprechung in diesem Bereich heranziehen können wird. Trotzdem lässt sich feststellen, dass die Legalisierung von Cannabis unerfreulich für die Arbeitswelt ist und sie vor neue rechtliche und praktische Herausforderungen stellt.
Die teilweise Legalisierung von Cannabis ändert zwar grundlegend nichts an der Anforderung, dass Arbeitnehmer nüchtern und leistungsfähig am Arbeitsplatz erscheinen müssen. Dennoch sind Arbeitgeber gezwungen, ihre Richtlinien und Verfahren zu überprüfen und möglicherweise anzupassen oder diese neu zu implementieren, um sicherzustellen, dass die Arbeitnehmer ihre Arbeit nicht unter Einfluss von Cannabis verrichten. Zugleich sind die Implementierung effektiver Kontrollmechanismen sowie eine transparente Mitarbeiterkommunikation unerlässlich, um den neuen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden und ein sicheres sowie produktives Arbeitsumfeld zu erhalten.
Insgesamt erfordert die teilweise Legalisierung von Cannabis, dass Arbeitgeber proaktiv Maßnahmen ergreifen, um ihre Mitarbeiter und Betriebe zu schützen, während sie gleichzeitig gesetzliche Vorschriften einhalten und an die sich ändernden gesellschaftlichen Normen anpassen. Arbeitgeber müssen auch bedenken, wie die Haltung ihres Unternehmens zur Cannabisnutzung öffentlich wahrgenommen wird. In Branchen oder Regionen, in denen eine konservative Haltung vorherrscht, könnte eine liberale Drogenpolitik potenziell schädlich für das Firmenimage sein.
Weitere Quellen und Hinweise:
- Ein klares und abgestuftes Vorgehen im Umgang mit Beschäftigten, die Suchtmittelmissbrauchen oder abhängig sind, ermöglicht z.B. ein Fünf-Stufen-Plan (s. BG RCI Merkblatt A 003 „Suchtmittelkonsum im Betrieb“).
- Unterstützung für die Praxis liefert u.a. auch die DGUV I 206-009 Suchtprävention in der Arbeitswelt – Handlungsempfehlungen
- Positionspapier der DGUV zum Thema Cannabis sowie DGUV Information 206-009 „Suchtprävention in der Arbeitswelt – Handlungsempfehlungen“ mit praktischen Tipps und Eckpunkten für Betriebsvereinbarungen: https://www.dguv.de/de/index.jsp
Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen e.V. bietet unter
www.dhs.de/suechte/cannabis
www.dhs.de/service/aktuelles/meldung/cannabisgesetz-ist-in-kraft-getreten
Infos zu Cannabiskonsum sowie umfangreiche Arbeitshilfen und Beratungsangebote über Sucht und Rauschmittel allgemein
Die Autorin
Susan Simon
Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin)
Arbeitgeberverband HessenChemie
Ich frage mich wie eine Kontrolle des Cannabiskonsumes im Home Office kontrolliert werden könnte. Hier sehe ich große Gefahren
Ganz herzlichen Dank für Ihren Kommentar. Das ist eine berechtigte Frage. Ganz generell sind die Feststellung und Überprüfung eines möglichen Cannabisrausches ja eine der größten Herausforderungen nach der Legalisierung von Cannabis. Im Homeoffice oder mobilen Arbeiten dürften sich die gleichen Themen wie vor Ort im Betrieb ergeben. Auch hier ist das Bemerken von Auffälligkeiten entscheidend, um – soweit möglich – den ersten Verdacht eines möglichen Cannabisrausches konkretisieren zu können. Dies ginge beispielsweise auch durch einen Video-Anruf, um sich einen Eindruck über Verhalten und ein ggfs. verändertes Erscheinungsbild eines Arbeitnehmers zu machen. Sollte sich ein erster Verdacht sodann konkretisieren, gelten dieselben Empfehlungen zum Umgang damit wie vor Ort im Betrieb.
Susan Simon
Syndikusrechtsanwältin HessenChemie