Gesundheit im Demografie-Tarifvertrag Chemie
Im Juni 2016 informierten wir unsere Mitgliedsunternehmen, was da relativ unbemerkt im Vorfeld der seinerzeitigen Chemie-Tarifrunde von den Sozialpartnern verabredet wurde. Informierten über die Neuerungen im Demografietarifvertrag. Bevor es dann in der eigentlichen Tarifrunde um die Prozente ging, umfangreiche Medienuntermalung inklusive.
Zunächst waren das einige Klarstellungen und redaktionelle ‚Änderungen des Tarifvertrags Lebensarbeitszeit und Demografie‘. Außerdem größere Spielräume bei der Einbringung in Langzeitkonten (Einbringungsgrenze von 10 % des kalenderjährlichen Tarifentgelts entfällt) und dem Modell zur lebensphasenorientierten Arbeitszeitgestaltung (nun können auch höhere und niedrigere Arbeitszeitvolumina als 80 % durch die Betriebsparteien vereinbart werden). Aber es gab noch mehr…
Gesundheit als Thema im Flächentarif
Die größte Neuerung verbarg sich hinter Paragraf 14 – jenem Paragrafen im Demografie-Tarifvertrag der Chemie, mit dem künftig direkt Gesundheit finanziert werden kann. Dass der Demografie-Tarifvertrag sich über die Jahre stetig weiterentwickelt hat, habe ich bereits beschrieben (Demografie-Tarifvertrag Stufe Drei), nun folgte also die nächste Ausbaustufe. Damit hatten die Sozialpartner ziemlich geräuschlos einen bereits länger gehegten Unternehmenswunsch ‚abgearbeitet‘ – nämlich eben auch die Gesundheit als ein Verwendungsmodul des sogenannten Demografiefonds einzuführen. Die Möglichkeiten ,Lebensarbeitszeit zu gestalten wurden dadurch noch größer und um eine wichtige Facette bereichert – denn was nützt eine exzellent ausgebaute tarifliche Altersvorsorge, wenn die Beschäftigten aus gesundheitlichen Gründen nicht in deren Genuss kommen!
Mit dem Demografiefonds Lebensarbeitszeit gestalten
Idealtypisch kann man das Ganze wie folgt darstellen: Die Betriebsparteien entscheiden, welches Modul bzw. welche Kombination von Modulen dem Bedarf der Mitarbeiter und den personalpolitischen Zielen zur Gestaltung der (verlängerten) Lebensarbeitszeit bestmöglich entsprechen.
Da jedes tarifgebundene Chemieunternehmen in den vergangenen Jahren diesbezüglich seine Entscheidung(en) getroffen hat, stellen sich nunmehr folgende Fragen:
- Wollen wir mit dem Verwendungszweck zur Gesundheitsvorsorge ein neues Thema setzen und mit Geld hinterlegen?
- Müssen wir die von uns gewählte Modulkombination ggf. noch einmal grundlegend überdenken?
- Wie hoch dotieren wir das jeweilige Modul?
Das Geld dazu stammt aus dem jährlich bereitgestellten Demografiebetrag, der sich 2016 auf 550€ je Tarifbeschäftigtem beläuft und ab 2017 auf 750€ aufgestockt wird. Aber was wird sich für Unternehmen verändern, die zumindest einen Teil des Demografiebetrages in Gesundheit stecken? Eine ganze Menge, wie ich finde!
Konstantes jährliches Budget für Gesundheit
Denn bislang war betriebliche Realität, dass Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung oft nach Kassenlage angeboten werden. Manche Unternehmen nutzten dafür auch bislang schon die Restbeträge des Demografiefonds, wenn etwa Gelder für die Langzeitkonten oder Altersvorsorge vom Mitarbeiter nicht abgerufen wurden. Doch auch diese Beträge können schwanken, ein planbares Budget entsteht daraus nicht.
Mit einem planbaren Budget verbinde ich die Hoffnung, dass auch die professionellen Strukturen entstehen bzw. sich verfestigen, die es für ein betriebliches Gesundheitsmanagement braucht – als da wären: Ein entsprechend besetzter Steuerkreis, Definition betrieblicher Gesundheitsziele, Erarbeitung eines betrieblichen Gesundheitsberichts, Schnittstellenmanagement zwischen Arbeits-/Gesundheitsschutz, Eingliederungsmanagement und Gesundheitsförderung, Gesundheit als Teil des Führungskräfte-Curriculums usw.
Gesundheit muss ‚gemanagt‘ werden
Denn schließlich geben sich Gesundheits-Gelder nicht einfach von selbst aus (sofern nicht das Prinzip ‚Gießkanne’/’bunter Blumenstrauß‘ Anwendung findet). Hierin besteht der wesentliche Unterschied zu einem Versicherungs-‚Produkt‘ wie der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung Chemie (BUC). Nach der Entscheidung für dieses Modul ist der regelmäßige Abwicklungsaufwand sehr überschaubar.
Gesundheitsziele und Budget stehen in Verbindung
Spannend finde ich im Übrigen ein Ergebnis der Studie des Magazins Personalwirtschaft in Zusammenarbeit mit der ias-Gruppe, BGM im Mittelstand. Dort wurde festgestellt, dass Unternehmen mit einem Gesundheits-Budget über 25.000€ häufiger über konkrete Zielvorstellungen zu den Themen Gesundheit oder Gesundheitsmanagement verfügen als die Gesamtheit aller befragten Unternehmen. Nun die entscheidende Frage: Waren die Ziele oder das Budget zuerst da? Ich meine – das ist eigentlich egal, sofern sich der Gesamtzug in die richtige Richtung bewegt, sprich weg vom Prinzip ‚Gießkanne‘, ‚bunter Blumenstrauß‘ und ‚Finanzierung nach Kassenlage‘, hin zu einem echten Gesundheits-„Management“-system.
Diese Professionalität wird wichtiger werden, denn das Unternehmen muss mehr in die Vorarbeiten investieren. Der offene Wortlaut des § 14 zur Gesundheitsvorsorge verdeutlicht dies:
Durch freiwillige Betriebsvereinbarung kann der Demografiebetrag nach § 7 für Maßnahmen allgemeiner Gesundheitsvorsorge unter Einschluss des anerkannten Präventionsprogrammes „Beschäftigungsfähigkeit teilhabeorientiert sichern – Betsi“ der Deutschen Rentenversicherung, oder vergleichbarer Programme, verwendet werden.
Für Maßnahmen des gesetzlich geregelten Arbeits- und Gesundheitsschutzes kann der Demografiebetrag nicht verwendet werden.
Sie sehen: ‚Maßnahmen allgemeiner Gesundheitsvorsorge‘ oder auch ‚anerkanntes Präventionsprogramm‘ – da bleibt viel Platz zur Interpretation und vielleicht auch zum Träumen! Eine praktische Unterstützung sollen dabei die dazugehörigen Erläuterungen der Sozialpartner liefern.