Gesundes Führen für eine gesunde Leistungskultur
Im Gesunden Führen liegt für die Ziele des Betrieblichen Gesundheitsmanagements ein großer Hebel. Das Gute daran ist – Gesundes Führen lässt sich lernen.
Schaut man sich das Betriebliche Gesundheitsmanagement an, praktizieren die einen Unternehmen aktive Pausen am Arbeitsplatz, die anderen führen Ergonomie-Analysen durch. Wieder andere stellen Obstkörbe auf die Konferenztische oder lassen die Büromitarbeiter von mobilen Massagen durchkneten. Ich möchte nicht sagen dass es reine Willkür ist, welche Maßnahmen im jeweiligen Fall ergriffen werden, aber zumindest gibt es nicht die eine Maßnahme im betrieblichen Gesundheitsmanagement, die überall passt.
Trotzdem gibt es eine Konstante, wenn ich mir die Konzepte der Betriebe anschaue: Führung ist überall integraler Bestandteil! Denn in Führung liegt ein großer Hebel für die Gesunderhaltung der Mitarbeiter – mächtiger, als jeder Obstkorb und jede mobile Massage es je sein können.
Mit Caroline Kranabetter, die zum Gesunden Führen am Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben – Universität Erlangen-Nürnberg promoviert, habe ich über ihre Forschungsergebnisse und deren Transfer in die Praxis gesprochen.
Praxistransfer Gesundes Führen
Frau Kranabetter, wie kamen Sie und Ihr Lehrstuhl dazu, Unternehmen Schulungen zu „Gesundem Führen“ anzubieten?
Wir forschen schon lange dazu, wie Arbeit gesundheitsförderlich und motivierend gestaltet werden kann, so dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über ihr Erwerbsleben hinweg gesund und leistungsfähig bleiben. Über die letzten Jahre haben viele Studien gezeigt, dass Führungskräfte die Gesundheit der Beschäftigten gezielt fördern können. Gesundheitsfördernde Führungskräfte schaffen ein gesundes Arbeitsumfeld, unterstützen ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und entwickeln sie weiter. Unsere neueste Forschung zeigt noch weitere Aspekte von „Gesunder Führung“, beispielsweise das Vorbildverhalten von Führungskräften für gesundes Arbeiten. Prof. Cornelia Niessen und ich finden es wichtig, das Wissen aus der Forschung in die Praxis zu tragen und Unternehmen dabei zu unterstützen, die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu erhalten und zu fördern, indem diese Führungskräfte in „Gesunder Führung“ ausbilden.
Vier Aspekte Gesunder Führung
Kann man „Gesundes Führen“ überhaupt lernen bzw. was daran lässt sich lernen?
„Gesundes Führen“ umfasst verschiedene Aspekte, die alle erlernbar sind. In unserer Schulung bringen wir Führungskräften bei, wie sie die Arbeitsplätze ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesundheitsförderlich gestalten können. Wir bereiten Führungskräfte auf Situationen vor, in denen eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter belastet oder erschöpft ist und zeigen Möglichkeiten auf, mit dieser Situation professionell umzugehen. Führungskräfte lernen in der Schulung, wie sie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern führen können, die dazu neigen, sich zu überanstrengen oder sehr an sich zweifeln und deren Gesundheit langfristig darunter leiden kann.
Zusammengefasst lernen Führungskräfte, gesundheitsgefährdende Situationen zu erkennen, zu beseitigen oder bereits belastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen. Dazu geben wir den Führungskräften Leitfäden und Checklisten an die Hand, die sie in ihrem Arbeitsalltag einfach anwenden können.
Ein weiterer Baustein der Schulung bezieht sich auf die eigene Gesundheit der Führungskräfte, ihr Stressmanagement und ihre Erholungsfähigkeit. Hier ist es mit einem einmaligen Training schwerer zu erreichen, dass Führungskräfte ihr Gesundheitsverhalten nachhaltig ändern. Die Gesundheit der Führungskräfte ist jedoch sehr wichtig für „Gesunde Führung“, da erschöpfte Führungskräfte weniger positive Führungsverhaltensweisen zeigen und ihre Erschöpfung übertragen. Außerdem setzen Führungskräfte Standards für gesundes Arbeiten, was beispielsweise Arbeitszeiten oder regelmäßige Pausen angeht.
Wie finde ich heraus, was ein Mitarbeiter benötigt bzw. was für einen bestimmten Mitarbeiter Ressourcen darstellen?
Wenn Führungskräfte das Arbeitsumfeld ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gesundheitsfördernd gestalten wollen, empfehlen wir, das zusammen mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterin zu tun. Führungskräfte können ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter direkt fragen, welche Ressourcen sie benötigen, um ihre Arbeit gut erledigen zu können. Das ist einerseits wichtig, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter belastet sind. Andererseits kann dies auch zur Prävention von psychischen Beanspruchungen hilfreich sein. So können mögliche gesundheitsförderliche Anpassungen regelmäßig in Mitarbeitergesprächen zum Thema gemacht werden.
Können Sie das anhand eines Beispiels erklären?
Ein größerer Handlungsspielraum ist beispielsweise generell eine Ressource. Trotzdem sollten Führungskräfte genau überlegen, wem sie wann wie viel Handlungsspielraum gewähren. Jemand, der neue und komplexe Aufgaben bekommt, mag überfordert sein und sich allein gelassen fühlen, wenn sie oder er weitreichende Entscheidungen allein treffen soll. Dann ist Handlungsspielraum eher stressfördernd. Wenn die Person in die Aufgaben „hineingewachsen“ ist, sich gerne weiterentwickeln möchte und überzeugt ist, die Anforderungen gut bewältigen zu können, wird Handlungsspielraum zur Ressource.
Gesunde Führung ist kein „Schonprogramm“ für Mitarbeiter, sondern unterstützt die Arbeits- und Leistungsfähigkeit.
Bedeutet „Gesunde Führung“, dass ich als Führungskraft meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ‚in Watte packe‘?
Nein, das bedeutet „Gesunde Führung“ nicht. Am Beispiel der Arbeitsplatzgestaltung sieht man deutlich, dass die Faktoren, die Leistung begünstigen, gleichzeitig auch Gesundheit fördern. So können Führungskräfte die Leistung UND Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stärken, indem sie die Bedeutung der Arbeit herausstellen, emotionale Anforderungen reduzieren oder zuverlässig wichtige Informationen weitergeben. Wenn Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter belastet sind, ist das Ziel „Gesunder Führung“ die Wiederherstellung der Gesundheit bzw. der Arbeitsfähigkeit. Das mag unter Umständen bedeuten, dass die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter kurzfristig „kürzer tritt“, was sich aber langfristig auszahlen sollte, wenn dadurch beispielsweise eine chronische Erkrankung verhindert werden kann.
Gute Führung ist zum Großteil gesunde Führung
Was wird im besten Fall anders, nachdem ich als Führungskraft ein Training zum „Gesunden Führen“ besucht habe? Woran merke ich das?
Unsere Erfahrung zeigt, dass Führungskräfte vier wichtige Dinge aus dem Training mitnehmen. Als Führungskraft bekomme ich erstens Klarheit, dass ein Großteil „guter“ Führung schon „Gesunde Führung“ ist. Darunter fällt beispielsweise für Rollenklarheit zu sorgen oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu unterstützen und zu entwickeln. Zweitens melden uns Führungskräfte nach der Schulung häufig zurück, dass sie mehr Sicherheit gewonnen haben, wie sie sich in schwierigen Situationen verhalten können. Den Leitfaden zum Umgang mit erschöpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nehmen sie mit an ihren Arbeitsplatz, um ihn ‚aus der Schublade‘ zu ziehen, wenn eine erschöpfte Mitarbeiterin oder ein erschöpfter Mitarbeiter vor ihnen steht. Drittens schätzen es die Führungskräfte, dass die Schulung viel Raum zum Austausch mit anderen Führungskräften bietet. Das kommt im Arbeitsalltag oft zu kurz und Führungskräfte erfahren, dass andere Führungskräfte mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind und voneinander lernen können. Und viertens beobachten wir, dass es Führungskräfte erleichtert, in der Schulung zu erfahren, wo die Grenzen „Gesunder Führung“ liegen und dass sie nur einen Teil der Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tragen.
Wo sehen Sie denn die von Ihnen genannten Grenzen „Gesunden Führens“?
Um Führungskräfte zu entlasten erklären wir ihnen, unter welchen Umständen Führung nur begrenzt zur Mitarbeitergesundheit beitragen kann. Das kann beispielsweise von der Persönlichkeit der Mitarbeiterin oder des Mitarbeiters abhängen, den Belastungen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Privatleben haben oder der Kultur des Unternehmens. Wenn Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter sehr empfindlich auf Stress reagieren oder in ihrem Privatleben sehr belastet sind, können Führungskräfte daran wenig oder nichts ändern. Ähnliches gilt für die Unternehmenskultur: Wenn diese wenig gesundheitsorientiert ist, stoßen Führungskräfte mit Ihren Bemühungen unweigerlich an Grenzen, die sie nicht selbst verantworten. Sie sollten sich beim „Gesunden Führen“ dann eher darauf beschränken, mit diesen Umständen so gut wie möglich umzugehen.
Caroline Kranabetter ist Diplom-Psychologin und promoviert am Lehrstuhl für Psychologie im Arbeitsleben der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen Nürnberg (Prof. Dr. Cornelia Niessen) zum Thema Gesunde Führung. Sie ist ausgebildete systemische Beraterin (ISB), trainiert Führungskräfte und berät Unternehmen und Organisationen.