#Arbeitsrecht – Thema des Monats: Fachkräfteeinwanderung

Über die Chancen zur Findung ausländischer Fachkräfte und zur anstehenden Reform des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes

Ein Gastbeitrag von Dr. Axel von Einem und Peer Frank

In Deutschland fehlen bekanntlich in allen Branchen hunderttausende von Fachkräften, darunter viele in der chemischen und in der kunststoffverarbeitenden Industrie. Dabei wären nach Studien rund 400.000 Zuwanderer jedes Jahr nötig, um die Lücke am deutschen Arbeitsmarkt zu schließen. Vor diesem Hintergrund plant die Bundesregierung nun, die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte weiter zu vereinfachen. Dies erscheint auch dringend nötig, sorgen doch Bürokratie und lange Wartezeiten in der Praxis für viel Frust bei den Beteiligten.

Was ist an konkreten Reformen geplant? Und wie finde ich überhaupt ausländische Arbeitskräfte bzw. wie finden diese mein Unternehmen? Der Beitrag versucht, etwas Licht ins Dunkel zu bringen.

Mögliche Rechtsgrundlagen für eine Beschäftigung in Deutschland

Zunächst ein paar Ausführungen zu den wichtigsten Rechtsgrundlagen für die Beschäftigung von außereuropäischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern.

Voraussetzung für die Einreise nach und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit in Deutschland für Drittstaatsangehörige, also Menschen, die weder die deutsche Staatsangehörigkeit noch die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedslandes der Europäischen Union haben, ist ein Aufenthaltstitel, der zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt.

Aufenthaltstitel sind beispielsweise das Visum (befristeter Aufenthaltstitel), die Aufenthaltserlaubnis (befristeter Aufenthaltstitel) oder die Niederlassungserlaubnis (unbefristeter Aufenthaltstitel). Visa werden von den Botschaften oder Konsulaten im Ausland ausgestellt, Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnisse von den Ausländerbehörden in Deutschland. Besonders zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die „Blaue Karte EU“ sowie die ICT-Karte.

Die Bundesregierung plant, die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte weiter zu vereinfachen. Foto: Shutterstock

Die Bundesregierung plant, die Anwerbung ausländischer Arbeitskräfte weiter zu vereinfachen. Foto: Shutterstock

Die Blaue Karte EU ist ein Aufenthaltstitel, der für Unternehmen mit Sitz in der Europäischen Union in Betracht kommt und von einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union zum Zwecke der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit in dem jeweiligen Mitgliedsstaat für Angehörige von Drittstaaten erteilt wird. Die Blaue Karte EU soll insbesondere hochqualifizierten Drittstaatsangehörigen den Aufenthalt in der EU ermöglichen. Diese wird in einem vereinfachten Verfahren ohne Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit erteilt. Antragsteller müssen ein abgeschlossenes Hochschulstudium nachweisen. Außerdem muss eine Mindestgehaltsgrenze eingehalten werden, die sich im Jahr 2023 auf 58.400,00 Euro jährlich beläuft. In sogenannten Mangelberufen, d.h. solche, in denen es in Deutschland eine hohe Anzahl unbesetzter Stellen gibt, liegt die Gehaltsuntergrenze 2023 bei 45.552,00 Euro jährlich. Als Mangelberufe gelten zum Beispiel. Humanmediziner, Ingenieure, Naturwissenschaftler, Mathematiker und IT-Fachkräfte. Im Vergleich zu anderen Aufenthaltstiteln bietet die Blaue Karte EU erhebliche Vorteile, weil sie bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen relativ schnell erteilt werden kann. Außerdem ist dann die Erteilung eines unbefristeten Aufenthaltstitels bereits nach 33 Monaten möglich, in bestimmten Fällen sogar schon nach 21 Monaten und nicht, wie grundsätzlich üblich, erst nach fünf Jahren.

Unternehmen, die ihren Sitz in einem Land außerhalb der EU haben, müssen auf die ICT-Karte zurückgreifen. Diese bietet die Möglichkeit, Fachkräfte in eine Niederlassung nach Deutschland zu transferieren. Führungskräfte, Spezialisten oder Trainees können so für einen begrenzten Zeitraum in Deutschland tätig werden. Hierfür müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein: So muss der Mitarbeitende unter anderem seit mindestens sechs Monaten vor dem Transfer ohne Unterbrechung dem Unternehmen oder der Unternehmensgruppe angehören und der unternehmensinterne Transfer muss für mehr als 90 Tage geplant sein. Führungskräfte und Spezialisten können dann eine ICT-Karte für maximal drei Jahre erteilt bekommen, Trainees erhalten die ICT-Karte für höchstens ein Jahr. Möglich ist in diesem Zeitraum auch eine kurzfristige Mobilität zur Ausübung einer Tätigkeit für das Unternehmen in einem anderen EU-Staat.

Vorhaben des Gesetzgebers

Foto: istockphoto

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Bereits zum 1. März 2020 trat das Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft, welches noch von der Großen Koalition beschlossen wurde. Ziel des Gesetzes war es, Fachkräfte aus Drittstaaten einfacher und schneller für den deutschen Arbeitsmarkt zu rekrutieren. Menschen aus Herkunftsländern außerhalb der EU sollten bessere Möglichkeiten erhalten, in Deutschland eine Arbeitsstelle zu erhalten. Das Gesetz zielte auf drittstaatsangehörige Ausländer mit qualifizierter Berufsausbildung oder mit anerkanntem Hochschulabschluss ab. Nicht erleichtert werden sollte der Zuzug von niedrig- oder unqualifizierten Menschen.

Wesentliche Neuerungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes waren unter anderem:

  • ein einheitlicher Fachkräftebegriff, der Hochschulabsolventen und Beschäftigte mit qualifizierter Berufsausbildung umfasst,
  • der Verzicht auf eine Vorrangprüfung bei anerkannter Qualifikation und Arbeitsvertrag,
  • der Wegfall der Begrenzung auf Mangelberufe bei qualifizierter Berufsausbildung,
  • die Möglichkeit für Fachkräfte mit qualifizierter Berufsausbildung entsprechend der bestehenden Regelung für Hochschulabsolventen für eine befristete Zeit zur Arbeitsplatzsuche nach Deutschland zu kommen (Voraussetzung: deutsche Sprachkenntnisse und Lebensunterhaltssicherung),
  • Verfahrensvereinfachungen durch eine Bündelung der Zuständigkeiten bei zentralen Ausländerbehörden und beschleunigte Verfahren für Fachkräfte,
  • der Arbeitsmarktzugang für IT-Fachkräfte mit ausgeprägter berufspraktischer Erfahrung ohne formalen Abschluss,
  • beschleunigte Verfahren für Fachkräfte.

Leider ist das mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz verfolgte Ziel, die Rekrutierung von Fachkräften aus Drittstaaten für Unternehmen sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einfacher und effektiver zu gestalten, auch aus Sicht der Politik bislang nicht erreicht worden. Die Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln, wie Visa oder Aufenthaltserlaubnissen, dauern nach wie vor sehr lang. Dies liegt hauptsächlich an der ungenügenden Personalausstattung der zuständigen Behörden. Es bedarf zudem dringend weiterer Anpassungen und Vereinfachungen der gesetzlichen Grundlagen

Neues Eckpunktepapier – der große Wurf?

Um Abhilfe zu schaffen, entwarf die Bundesregierung unter dem 30. November 2022 ein Papier namens „Eckpunkte zur Fachkräfteeinwanderung aus Drittstaaten“.

Beteiligt an dem Eckpunktepapier waren fünf Bundesministerien. Ein Gesetzentwurf soll zeitnah durch das Bundesarbeitsministerium erarbeitet werden.

Die wesentlichen Merkmale im Folgenden

In der Zukunft soll die Fachkräfteeinwanderung in Deutschland auf einem Modell mit drei Säulen beruhen: der Fachkräftesäule, der Erfahrungssäule und der Potenzialsäule.

Als zentrales Element der Einwanderung nennt die Bundesregierung die Fachkräftesäule. Zu der Fachkräftesäule soll die Blaue Karte EU für Fachkräfte mit anerkanntem Abschluss gehören. Unabhängig von dem jeweiligen Abschluss sollen damit die Fachkräfte zukünftig jede qualifizierte Beschäftigung in einem nicht reglementierten Beruf ausüben können. Die Mindestgehaltsgrenzen sollen abgesenkt werden. Außerdem soll die Aufnahme einer Berufsausbildung oder eines Studiums in Deutschland attraktiver werden.

In der Zukunft soll die Fachkräfteeinwanderung in Deutschland auf einem Modell mit drei Säulen beruhen

In der Zukunft soll die Fachkräfteeinwanderung in Deutschland auf einem Modell mit drei Säulen beruhen. Foto: istockphoto

Als zweite Säule nennt die Bundesregierung die Erfahrungssäule. Diese soll Fachkräften die Einwanderung auch dann ermöglichen, wenn der im Ausland absolvierte Berufsabschluss nicht vorher in Deutschland anerkannt wurde. Kumulative Voraussetzungen sollen ein Arbeitsvertrag in einem nicht-reglementierten Beruf, eine berufliche Qualifikation, eine mindestens zweijährige Berufserfahrung und ein bestimmter Verdienst oder die Geltung eines Tarifvertrags sein. Menschen, die eine ausländische Qualifikation haben, aber die notwendige Gehaltsschwelle nicht erreichen, sollen im Rahmen einer Anerkennungspartnerschaft bereits in Deutschland arbeiten und parallel das berufliche Anerkennungsverfahren durchlaufen können.

Die dritte Säule ist die sog. Potentialsäule richtet sich an Menschen, die in Deutschland noch keinen Arbeitsvertrag haben. Für diese Menschen soll eine sogenannte Chancenkarte eingeführt werden. Das Potential für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration soll mit Hilfe eines Punktesystems ermittelt werden. Kriterien für das Punktesystem sollen unter anderem Berufserfahrung, Qualifikation, Sprachkenntnisse, Deutschlandbezug und Alter sein.

Neben den drei Säulen beabsichtigt die Bundesregierung eine weltweite Werbekampagne für Deutschland als Einwanderungsland. Zudem sollen Partnerschaften mit Institutionen in Drittstaaten ausgebaut werden. Bei diesen Vorhaben soll die deutsche Wirtschaft miteingebunden werden.

Fest steht, dass Deutschland dringend auf Fachkräfte angewiesen ist und in Zukunft noch viel mehr Bedarf haben wird. Ob die Vorhaben der Bundesregierung ausreichen, um die derzeit aufwändige Bürokratie zu verschlanken und zu beschleunigen, und damit einen Teil der benötigten Fachkräfte auch aus Drittstaaten zu rekrutieren, bleibt abzuwarten.

Zu berücksichtigen bleibt auch, dass die Einwanderung von Fachkräften aus Ländern außerhalb der Europäischen Union sicherlich den Fachkräftemangel nicht insgesamt lösen können wird, aber eine vielversprechende Perspektive darstellt, den Mangel zu mildern. Zudem stellen sich hier nicht nur Probleme rechtlicher Natur, die am Ende mit Geduld überwunden werden können. Es handelt sich vor allem um eine große Integrationsaufgabe, welche die Unternehmen und die Bürger dieses Landes stemmen müssen, damit die ausländischen Fachkräfte sich in Deutschland wohlfühlen und dauerhaft hierbleiben.

Wie und wo finde ich bzw. finden mich ausländische Arbeitskräfte?

Wie und wo finde ich ausländische Arbeitskräfte?

Wie und wo finde ich ausländische Arbeitskräfte? Foto: istockphoto

Ungeachtet der administrativen und rechtlichen Probleme, die sich bei der Rekrutierung inner- oder außereuropäischer Mitarbeitenden stellen, stellt sich sicherlich für viele Unternehmen die Frage, wie und wo sie geeignete ausländische Fachkräfte finden? Und: Wie finden die Bewerber aus dem Ausland überhaupt geeignete Stellen auf dem sehr großen internationalen Arbeitsmarkt?

Diesbezüglich gibt es bereits eine ganze Reihe pragmatischer Initiativen, die auch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Köln unterstützt werden. Zu nennen sind hier insbesondere Make it in Germany und EURES Jobbörse.

Die jeweiligen Dienstleistungen sind im Internet ausführlich beschrieben, einfach mal eine Stunde Zeit nehmen und durchsurfen.

Make it in Germany

Hierbei handelt es sich um die zentrale Jobbörse der Bundesagentur für Arbeit mit mehreren tausend offenen Stellenangeboten aus allen Bereichen (auch in Englisch, Spanisch und Französisch verfügbar). Über die „Stellensuche“ besteht für die Bewerberinnen und Bewerber die Möglichkeit, gezielt eine Beschäftigung in einem bestimmten Sektor zu suchen. Wenn Ihr Unternehmen also dort offene Stellen inseriert, gibt es eine gute Chance, dass sie von ausländischen Bewerbern gefunden wird.

Jobbörse EURES

Zur Findung von Mitarbeitenden lohnt sich auch ein Blick in die Jobbörse von EURES, eine gut strukturierte und mehrsprachige Datenbank für ganz Europa, auf der Arbeitgebende ebenfalls Inserate platzieren und damit viele internationale Kandidaten erreichen können.

Weitere interessante Initiativen und Projekte

THAMM ist ein Pilotprojekt der Bundesagentur für Arbeit und der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zur Gewinnung von Auszubildenden und Fachkräften aus den drei nordafrikanischen Ländern Ägypten, Marokko und Tunesien.

PAM (Träger: GIZ/Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) unterstützt Unternehmen beim Finden von internationalen Fachkräften und Nachwuchstalenten.

UBAconnect (Träger: DIHK/ZDH/BMBF): Unterstützung für Unternehmen, die bereit sind, qualifizierte Fachkräfte zunächst im Rahmen einer Anpassungsqualifizierung anzustellen und zu qualifizieren.

TMS Targeted Mobility Scheme (Träger: BA/EURES): Möglichkeit der Förderung der Integration von Mitarbeitenden aus dem europäischen Ausland (z.B. Sprachkurse, Unterstützung bei der Eingewöhnung in Deutschland etc.).


Seminarsprint


Passend zum Thema bieten wir unseren Mitgliedsunternehmen zwischen dem 2. und 27. März 2023 an vier Tagen einen Seminarsprint „Internationale Fachkräfte erfolgreich rekrutieren und integrieren“ an. Dieser findet in Kooperation mit KOFA statt und zeigt Schritt für Schritt auf, wie die Teilnehmenden bei der Rekrutierung von ausländischen Fachkräften vorgehen können: Von der Stellenausschreibung über die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Auswahl des geeigneten Rekrutierungswegs bis zum Vorstellungsgespräch, zur Einarbeitung und dauerhaften Integration im Betrieb. Zu jedem dieser Schritte lernen die Teilnehmenden in kompakten Sequenzen unterschiedliche Hilfsangebote und Experten kennen.


Die Autoren


Dr. Axel von Einem

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Leiter Team Recht Nordhessen

Axel von Einem, Arbeitgeberverband HessenChemie
Peer Frank

Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt)
Referent Arbeits- und Sozialrecht

Peer Frank, Arbeitgeberverband HessenChemie

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