Entgelttransparenzgesetz – Der richtige Weg zur Entgeltgleichheit?

Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) trat bereits zum 6. Juli 2017 in Kraft. Ziel war es unter anderem, das Recht auf gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu stärken und unmittelbare und mittelbare Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts in Bezug auf Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen zu beseitigen.

Diese Ziele sollten insbesondere durch die folgenden Maßnahmen erreicht werden:

  • Schaffung von Lohntransparenz innerhalb der Organisation

  • Einfachere Anwendung der Schlüsselbegriffe in Bezug auf gleiches Entgelt

  • Stärkung von Durchsetzungsmechanismen (Individueller Auskunftsanspruch, Überprüfung der Entgeltstrukturen und Berichtspflicht).

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Die Bundesregierung hat nun am 23. August 2023 ihren zweiten Bericht zur Wirksamkeit des Entgelttransparenzgesetzes sowie zum Stand der Umsetzung des Entgeltgleichheitsgebotes in Betrieben mit weniger als 200 Beschäftigten veröffentlicht. Neben einem wissenschaftlichen Evaluationsgutachten enthält der Bericht Stellungnahmen der Bundesregierung und der Sozialpartner.

In diesem Artikel werden die Handlungsempfehlungen des Evaluationsgutachtens sowie die kürzlich in Kraft getretene EU-Lohntransparenz-Richtlinie näher beleuchtet. Es wird zudem der Frage nachgegangen, ob die angedachte Änderung des Entgelttransparenzgesetzes dazu geeignet ist, mehr Entgeltgleichheit zu schaffen.

Bericht der Bundesregierung

Ein Vorschlag des Evaluationsgutachtens gibt den Sozialpartnern auf, den Bekanntheitsgrad des Entgelttransparenzgesetzes und den ihm zugrundeliegenden Grundsatz der Entgeltgleichheit und das Entgeltgleichheitsgebot zu stärken.

Die durchgeführte Befragung habe einerseits ergeben, dass lediglich ein Drittel der Befragten vom Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern mit dem die Entgeltgleichheit von Frauen und Männern gefördert werden soll, gehört zu haben. Andererseits räumten 86 Prozent der befragten Verantwortlichen in Betrieben und Dienststellen ein, den individuellen Auskunftsanspruch zur Überprüfung von Entgeltgleichheit zu kennen. Auch die Mehrheit der Personal- und Betriebsräte wisse Bescheid.

Dieses auf den ersten Blick widersprüchliche Ergebnis verwundert nicht. Der Großteil der Beschäftigten kennt die genaue Bezeichnung eines Gesetzes nicht. Regelmäßig kennen die Beschäftigten allerdings die aus den jeweiligen ihnen unbekannten Gesetze resultierenden Ansprüche und Rechte.

Auch bei größerer Bekanntheit ist eine höhere Inanspruchnahme des Auskunftsinstrumentes nicht zu erwarten. Dies einfach aus dem Grunde, weil die Arbeitnehmer in Deutschland mit ihren Arbeitsbedingungen größtenteils zufrieden sind.

Um die Effektivität des Auskunftsanspruchs zu stärken, schlägt das Evaluationsgutachten weiter vor, die Reichweite des Instruments zu erhöhen und mehr Beschäftigten das Recht auf Auskunft einzuräumen.

Betrachten wir zunächst den in §§ 10 ff. EntgTranspG geregelten individuellen Auskunftsanspruch:

Danach haben alle Beschäftigte, die in einem Betrieb mit mehr als 200 Arbeitnehmern tätig sind, einen Anspruch, Auskunft über die Kriterien und das Verfahren zu erhalten, nach welchen ihr Entgelt festgelegt wurde. Sie sind berechtigt, auch über die Kriterien und das Verfahren der Entgeltfindung unterrichtet zu werden, die zur Entgeltfindung für eine andere Tätigkeit gelten, die sie für gleich oder gleichwertig halten. Darüber hinaus können sie auch das für diese Vergleichstätigkeit das Vergleichsentgelt in Erfahrung bringen. Hiernach kann sich der Beschäftigte in der Regel alle zwei Jahre erkundigen. Ist die Zweijahresfrist noch nicht abgelaufen, kann eine neue Anfrage nur dann erneut gestellt werden, wenn sich die Voraussetzungen, unter der diese gestellt werden, wesentlich geändert haben (z.B. bei einem Arbeitsplatzwechsel).

Wie soll die Reichweite des individuellen Auskunftsanspruchs erhöht und (noch) mehr Beschäftigten das Recht auf Auskunft eingeräumt werden?

Die Bundesregierung will dies im Rahmen der Umsetzung der EU-Lohntransparenz-Richtlinie (zu dieser später mehr) realisieren und verweist auf die Ausgestaltung der Prüfverfahren in der EU-Lohntransparenz-Richtlinie, die eine höhere Verbindlichkeit und höhere Reichweite vorsieht. Hierbei sollen Unternehmen zukünftig bei der Umsetzung von Prüfverfahren durch die Entwicklung und Bereitstellung eines automatisierten und standardisierten Prüfinstruments unterstützt werden.

Kleinere Betriebe und Dienststellen mit weniger als 200 Beschäftigten setzen sich bereits jetzt verstärkt mit dem Thema Entgeltgleichheit auseinander. 10 Prozent der Unternehmen ohne tarifliche und knapp 30 Prozent der Unternehmen mit tariflicher Entgeltstruktur haben über Gleichstellung und Entgeltgleichheit berichtet. Knapp 30 Prozent der befragten Unternehmen haben seit 2019 ihre betrieblichen Entgeltstrukturen überprüft.

Eine Erhöhung der Reichweite des Entgelttransparenzgesetzes ist daher nicht von Nöten.

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EU-Lohntransparenz-Richtlinie

Auch mit der bis Juni 2026 in Deutschland umzusetzenden EU-Lohntransparenz-Richtlinie wird keine einzige Ursache unterschiedlicher Bezahlung wirkungsvoll angegangen. Vielmehr wird eine mittelstandsfeindliche und bestehende tarifvertragliche Regelung ignorierende Kontrollbürokratie geschaffen.

Das Ziel der EU-Richtlinie zur Lohntransparenz ist es, das geschlechtsspezifische Lohngefälle in der EU abzubauen, indem sie mehr Transparenz für alle Beteiligten schafft. Dafür nimmt sie Unternehmen stärker in die Pflicht als es das bisherige deutsche Gesetz tat.

Im Wesentlichen macht die Richtlinie für Arbeitgeber folgende Vorgaben, die nationalstaatlich umgesetzt werden müssen:

Entgelttransparenz vor der Beschäftigung

  • Arbeitgeber müssen Arbeitssuchende über das Einstiegsgehalt oder die Entgeltspanne der ausgeschriebenen Position informieren. Beides muss auf objektiven und geschlechtsneutralen Kriterien beruhen.

  • Arbeitgeber dürfen Bewerberinnen und Bewerber nicht mehr nach dem aktuellen Gehalt/Lohn bzw. ihrer Entgeltentwicklung in früheren Dienstverhältnissen fragen.

Auskunftsrecht im laufenden Dienstverhältnis

  • Beschäftigte haben das Recht auf Auskunft über die durchschnittlichen Entgelthöhen für die Gruppe von Beschäftigten, die gleiche oder gleichwertige Arbeit wie sie verrichten. Diese muss nach Geschlechtern aufgeschlüsselt sein.

  • Arbeitgeber müssen Kriterien offenlegen, die zur Bestimmung des Entgelts und der Laufbahnentwicklung herangezogen werden. Die Kriterien müssen objektiv und geschlechtsneutral sein.

  • Arbeitgeber müssen alle Beschäftigte jährlich über ihr Recht auf Auskunft informieren.

Berichtspflicht der Organisation

  • Arbeitgeber mit mehr als 250 Beschäftigten müssen jährlich Bericht über das Ausmaß des geschlechtsspezifischen Lohngefälles ablegen.

  • Für kleinere Organisationen (zunächst ab 150 Beschäftigten) gilt die Berichtspflicht alle drei Jahre.

  • Bei Feststellung eines Lohngefälles von mehr als 5 Prozent, das nicht durch objektive, geschlechtsneutrale Kriterien begründet werden kann, müssen die Organisationen Maßnahmen ergreifen. Dies passiert in Form einer gemeinsamen Entgeltbewertung in Zusammenarbeit mit Beschäftigtenvertretungen.

Die Richtlinie sieht bei Verstößen von Arbeitgebern unter anderem Schadenersatz für Beschäftigte vor. Dazu gehört die vollständige Nachzahlung entgangener Entgelte und damit verbundener Boni und Sachleistungen. Die Beweislast bei Verstößen gegen die vorgeschriebene Lohntransparenz liegt bei den Arbeitgebern, diese werden insoweit auch prozessual in die Pflicht genommen.

Die mit der Richtlinie vorgegebenen Pflichten für die Arbeitgeber werden außerdem als Teil der geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge einzuhalten sein.

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Tarifverträge garantieren Entgeltgleichheit

Es ist absehbar, dass durch die geplanten Maßnahmen der bürokratische Aufwand für die Arbeitgeber immens erhöht werden wird. Arbeitgeber müssen die Gehaltsdaten verständlich aufbereiten, prüfen und dokumentieren, welche Arbeit im Unternehmen als gleichwertig angesehen wird, welche Unterschiede sich innerhalb einzelner Teams und auch zwischen verschiedenen Abteilungen und Geschäftsbereichen ergeben.

Andererseits wird durch diese Vorgaben aber keine höhere Entgeltgleichgleichheit erreicht werden.

Es wird verkannt, dass die geringen Anwendungsfälle der Geltendmachung des Auskunftsanspruches belegen, dass das Entgeltgleichheitsgebot in deutschen Betrieben bereits eingehalten wird. Die Mehrheit der Beschäftigten hat weder eine Auskunft verlangt noch plant sie, dies in absehbarer Zukunft zu tun. Konkret geben 4 Prozent der Beschäftigten in Betrieben und Dienststellen mit mehr als 200 Beschäftigten an, eine Auskunftsanfrage gestellt zu haben, und das, obwohl das Entgelttransparenzgesetz seit nunmehr sechs Jahren in Kraft ist.

Entgeltgleichheit besteht dabei insbesondere in denjenigen Branchen, in denen Tarifverträge zur Anwendung kommen. Die Vergütung nach Tarifverträgen erfolgt transparent, geschlechtsneutral und tätigkeitsbezogen. Dort, wo Vergütungstarifverträge gelten und tarifkonform angewendet werden, wird es in aller Regel keine Lohndifferenzierung zwischen Frauen und Männern geben. Zumindest für die Tarifverträge der chemischen Industrie kann gesagt werden, dass tarifliche Eingruppierungen allein an der ausgeübten Tätigkeit auszurichten sind und gerade nicht an der jeweiligen Person, die diese ausübt, vor allem nicht an deren Geschlecht. Kurz gesagt: Tarifverträge beugen Geschlechterdiskriminierung vor.

Das Evaluierungsgutachten empfiehlt dennoch die Überprüfung der Angemessenheitsregelung und der vereinfachten Verfahren ohne Würdigung des positiven Einflusses von Tarifverträgen. Tarifverträge werden von den Sozialpartnern ausgehandelt. Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen sind hier angemessen vertreten.

Die Erwägung des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung e.V. an der Universität Tübingen (IAW), bestehende Privilegierungen für tarifgebundene bzw. tarifanwendende Betriebe zu überdenken, übersieht den Tarifvorrang als zentrales Element für die Koalitionsfreiheit. Zu Recht gilt nach der Rechtsprechung des BAG eine Richtigkeitsgewähr für Tarifverträge. Tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber sind folgerichtig aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herauszunehmen. Daher war es richtig, die Angemessenheitsvermutung in § 4 Abs. 5 EntgTranspG aufzunehmen und vereinfachte Verfahren zu schaffen (§ 14 EntgTranspG). Mit der Aufnahme einer ausdrücklichen Angemessenheitsvermutung für tarifvertragliche Entgeltregelungen hat der deutsche Gesetzgeber zu Recht anerkannt, dass die Tarifvertragsparteien Transparenz und Gleichbehandlung bei der Bezahlung gewährleisten.

Tarifverträge dürfen nicht als Ursache für eine mittelbare Diskriminierung diskreditiert werden. Sachgerecht ist vielmehr, tarifgebundene und tarifanwendende Arbeitgeber komplett aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes herauszunehmen. Tarifliche Entgeltstrukturen sind tätigkeitsbezogen, geschlechtsneutral und durch die Bekanntmachungspflicht des § 8 TVG transparent. Mindestens aber ist an den bestehenden Privilegien für tarifgebundene bzw. tarifanwendende Arbeitgeber festzuhalten.

Die Sozialpartner haben bereits ausreichend bewiesen, dass sie eine faire Vergütung sicherstellen können. All das darf nicht in Frage gestellt werden.

Die Evaluation ignoriert zudem die tatsächlichen Ursachen unterschiedlicher Bezahlung. Der weit überwiegende Anteil des gesamtwirtschaftlichen Entgeltunterschieds ist auf Faktoren zurückzuführen, die in der persönlichen Erwerbsbiografie begründet liegen und offenkundig nicht auf Entgeltsysteme, fehlende Entgelttransparenz oder gar Diskriminierung. Maßgeblich ist vielmehr das unterschiedlich geprägte Berufswahl- und Erwerbsverhalten von Frauen und Männern. Dazu zählen z. B. tradierte Rollenbilder und fehlende Kinderbetreuungsstrukturen, nicht jedoch vermeintliche Entgeltbenachteiligungen von Mann und Frau.

Die geforderten verschärften Regulierungen zur Entgelttransparenz verbessern weder die Rahmenbedingungen für Frauen im Erwerbsleben noch ihre Erwerbsbeteiligung und damit ihre Einkommensperspektive. Sie erhöhen lediglich den bürokratischen Aufwand der Arbeitgeber und belasten diese mit unnötigen Berichtspflichten.

Zielführender wäre es, die Erwerbs- und Karriereaussichten zu verbessern und Initiativen zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern.

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Fazit

Um die Ausgangsfrage wieder aufzugreifen, wohin ein überarbeitetes Entgeltransparenzgesetz führen kann, ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu prognostizieren, dass dieses auch künftig nicht den gewünschten „Durchbruch“ bei der Lohngerechtigkeit zwischen Männern und Frauen schaffen wird. Anpassungen und Verschärfungen des Gesetzes sind die falsche Weichenstellung, weil sie die Ursachen der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen nicht angehen und die funktionierende Sozialpartnerschaft in Frage stellen.

Für diese These spricht insbesondere die im Evaluierungsgutachten getroffene Feststellung, dass das Entgeltransparenzgesetz ohne kausalen Effekt auf Entgeltlücken ist. Weder die vorgelegten Daten noch die erhobenen empirischen Befunde geben Anlass zu etwaigen Verschärfungen des Gesetzes. Einzig die Unternehmen würden erneut mit unverhältnismäßigem Mehraufwand und zusätzlichen Kosten überzogen.

Nur eins ist bis jetzt erreicht: Das Thema Gleichberechtigung und auch die Diskussion um die Frauenquote sind wieder aufgelebt und Bestandteile eines lebhaften gesellschaftlichen Diskurses.


Die Autorin


Nicole Sturm

Rechtsanwältin (Syndikusrechtsanwältin), Arbeitgeberverband HessenChemie

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