Kontrovers diskutiert: 4-Tage-Woche in Deutschland

In meinen Diskussionen mit Unternehmen, Wissenschaftlern und Sozialpartnern habe ich immer wieder festgestellt, dass die größte Herausforderung beim Thema „4-Tage-Woche“ ein gemeinsames Verständnis zum Inhalt der Thematik ist. Je nachdem, welche Logik man als Gesprächspartner im Kopf hat, ergeben sich daraus durchaus interessante Diskussionen. Aus meiner Erfahrung ist es unerlässlich, sich über Dauer, Lage und Vergütung der Arbeitszeit auszutauschen.

#Dauer

Im Zuge meiner Recherche habe ich natürlich auch chatgpt&Co bemüht und war ehrlich gesagt sehr erstaunt über das Ergebnis. Egal, wie ich die Frage formulierte, was man unter einer 4-Tage-Woche versteht, lautete die Antwort immer:

„Die 4-Tage-Woche stellt ein Arbeitszeitmodell dar, in dem Mitarbeiter die gewohnte Vollzeitarbeitsleistung auf vier Tage in der Woche verteilen und die Mitarbeiter an einem Tag in der Woche frei haben. Die tägliche Arbeitszeit kann dabei gleichbleiben oder im Rahmen einer Vollzeitbeschäftigung auf längere Arbeitstage erweitert werden, um die wöchentliche Sollarbeitszeit zu erreichen.“

Folgt man dieser Logik, dann ist das im Rahmen der bestehenden gesetzlichen Regelungen im Rahmen eines Teilzeitverhältnisses ohne Probleme möglich, seine wöchentliche Arbeitszeit auf 4 Tage zu verteilen.

Nicht einig hingegen ist man sich in der Literatur, ob das auch für einen Vollzeitjob mit 40h/Woche funktioniert. Im Arbeitszeitgesetz heißt es: „Die werktägliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf acht Stunden nicht überschreiten.“ Allerdings geht es direkt weiter: „Sie kann auf bis zu zehn Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten acht Stunden werktäglich nicht überschritten werden.“ Fraktion Satz 1 argumentiert, durch das Wörtchen „nur“ wird ergibt sich ganz automatisch, dass es sich bezugnehmend auf die 8h-Regelung um eine Ausnahme handeln muss. Fraktion Satz 2 wiederum sieht eine zulässige Arbeitszeitflexibilisierung ganz gleich aus welchem Grund, solange die Ausgleichsverpflichtung eingehalten wird. Und dieser Ausgleich wird in der 4-Tage-Woche direkt innerhalb der betreffenden Arbeitswoche durchgeführt.

FAZIT: Eine Novellierung des Arbeitszeitgesetzes von der Regelung einer täglichen hin zu einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit würde auch beim Thema 4-Tage-Woche Rechtssicherheit bringen.

#Lage

Dieser Punkt polarisiert. Es gibt die Montag-Donnerstag Fraktion, für die verlängert sich das Wochenende immer um den Freitag. Die Aussicht auf ein verlängertes Wochenende ist besonders attraktiv, da sie Mitarbeitern mehr Zeit für Erholung, Familie und persönliche Interessen bietet. Klingt nach einer tollen Option. Ist in der Realität weniger toll, wenn alle nach dem gleichen Modell arbeiten. Dann hat freitags und samstags kein Friseur, kein Arzt, kein Geschäft mehr auf – gleiches Recht für Alle!

FAZIT: Bei der Diskussion eine 4-Tage-Woche muss man sich von der Idee „Montag bis Donnerstag“ befreien. Rein rechnerisch ergeben sich alleine für die Werktage 15 unterschiedliche Kombinationen.

#Vergütung

Wird die Arbeitszeit reduziert, die Vergütung bleibt aber die gleiche, dann spricht man von einer 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich. Verschiedene Studien legen dar, dass kürzere Arbeitszeiten nicht notwendigerweise zu einer insgesamt geringeren Produktivität führen, weil eine konzentrierte Arbeitsweise und höhere Motivation zu einer Steigerung der Produktivität beitragen könnten. Um den gleichen Output zu erreichen, müsste die Produktivität allerdings um 25% steigen. Dies ist zumindest für die allermeisten Industrieunternehmen angesichts stetig laufender Optimierungswellen und einer bereits hohen Arbeitsverdichtung keine realistische Annahme. Bei einer Verkürzung der Arbeitszeit mit vollem Lohnausgleich wird Arbeit damit deutlich teurer. Und zwar für alle. Denn kein Mitarbeiter würde verstehen, dass er weniger Stundenvergütung erhält, nur weil er weiterhin ohne Stundenreduzierung arbeiten möchte.

FAZIT: Wenn alle Unternehmen eine 4-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich einführen, dann wird Arbeit nicht nur für alle teurer, sondern es hebt sich auch kein Unternehmen mehr von der Masse ab, um besonders attraktiv für neue Mitarbeiter zu sein.

Anne Kaiser und Ulrich Walwei haben in ihrem Gastkommentar im Handelsblatt eine pointierte  Zusammenfassung gegeben, warum die Viertagewoche nur einer von vielen Bausteinen für flexibleres Arbeiten ist.

Wenn Unternehmen wirklich attraktiv für Mitarbeiter sein wollen, dann gibt es nicht die eine Lösung. Es gibt Unternehmen, für die die 4-Tage-Woche interessant und umsetzbar ist. Die flächendeckende Einführung oder gar eine gesetzliche Verpflichtung kann keine Lösung sein.

Wichtig ist die Diskussion über dieses Thema. Ich glaube, die Unternehmen sollten mehr Flexibilität bei der Umsetzung von Arbeitszeitwünschen ihrer Mitarbeiter haben. Warum sprechen wir von Teilzeitfalle? Warum ist es nicht völlig legitim, für gewisse Zeiten weniger zu arbeiten. Mit der Sicherheit, jederzeit wieder aufstocken zu können. Es gibt bis hin zum Jobsharing genügend Optionen, Teilzeitmodelle im Arbeitsalltag integrieren zu können. Genauso sollte es legitim sein, tarifkonform mehr arbeiten zu wollen und jederzeit wieder auf die normale tarifliche Arbeitszeit „runterzufahren“. Der Tarifvertrag Moderne Arbeitswelt in der chemischen Industrie bietet diese Option.

Was es dazu bedarf, ist Kreativität zuzulassen und betriebliche Notwendigkeiten mitzudenken. Ist eine Offenheit von Geschäftsführung und Betriebsrat. Ist Lösungen im Sinne der Mitarbeiter zu finden, die nicht in Stein gemeißelt sind und für die es vielleicht noch keinen Benchmark gibt.

Sabine König

Sabine König ist Diplom-Ingenieurin, REFA Industrial Engineer und systemische Organisationsberaterin ist seit 2009 als Referentin Arbeitswissenschaft bei HessenChemie tätig und verfügt über langjährige Erfahrung als Abteilungsleiterin, Projektleiterin und Inhouse-Consultant sowie Lehrtätigkeit an der Hamburger Fernhochschule. Ihre Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsbewertung, Entgeltgestaltung, Arbeitsorganisation und Organisationsentwicklung.

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